
Foto: Thomas Gertler
Nur ein anderes Wort für „nichts mehr zu verlieren – nothing left to lose“? So sang Janis Joplin in ihrem berühmten Song „Me and Bobby McGee“ und so ist es hier auf einem Plakat zu sehen für die Lange Nacht der Freiheit am 24. Juni 2017 in Augsburg in Erinnerung an die Reformation und darum schaut im Hintergrund auch ziemlich kritisch Martin Luther mit seinem Spruch: „Höchste Knechtschaft und höchste Freiheit, beides sind höchste Übel“.
Man kann ihn auch als Kommentar zu Janis Joplin lesen. Sie war drei Monate nach dem Singen dieses Songs tot. Eine Überdosis Heroin. Damit gehörte sie zum Klub 27. Lauter Künstler und Musiker, die mit 27 Jahren gestorben sind. Da kann man tatsächlich denken: höchste Freiheit ist höchstes Übel, weil es totalen Kontrollverlust bedeutet. Aber ist diese Art von höchster Freiheit wirklich höchste Freiheit?
Dennoch wurde dieser Song „Me and Bobby McGee“ posthum zum Superhit. Hier ein deutscher Text. Was Janis in diesem Country-Song beschreibt, ist zum einen wirklich eine Situation, in der Janis und Bobby ganz arm sind und nichts mehr zu verlieren haben. Und da fühlen sie sich ganz frei und ledig von allem. Und ja, das stimmt auch, so eine Einfachheit macht uns frei. Bedürfnislosigkeit macht frei. Wenn man nichts mehr zu verlieren hat, dann ist man frei. Aber das ist noch nicht alles. So eine Art von Freiheit, die darin besteht, nicht mehr zu verlieren zu haben, ist noch mehrdeutig. Sie kann sein die Freiheit eines Menschen, der den Tod angenommen hat und darum ganz frei ist, weil er wirklich nichts mehr zu verlieren hat. Aber es kann auch die Freiheit dessen sein, der sich sagt: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt man völlig ungeniert.“
Aber es gibt in dem Song noch eine tiefere Art von Freiheit. Janis und Bobby haben zwar nichts an Besitz, aber sie haben einander und sind sich in dem Truck, der sie nach New Orleans mitnimmt, so nahe und darum frei und glücklich. Es ist also letztlich ihre Liebe zueinander, die sie so frei gemacht hat. Das lässt einen dieser Song nämlich erleben, auch wenn es gar nicht gesagt ist. Gesagt und gesungen wird nur am Schluss, dass Bobby sie verlassen hat und Janis nun frei und ledig ist, in einem sehr traurigen Sinn. Es ist eben ein Country-Blues-Lied. Nothing left to lose.
Was ist nun Freiheit? Wann haben Sie Ihre größte Freiheit erlebt? Wie würden Sie diese Erfahrung beschreiben?
Ja, welche Liebe macht so frei, dass dann tatsächlich nichts mehr zu verlieren ist? Ist unsere menschliche Liebe zueinander damit nicht völlig überfordert? Es kann sein. Und zwar meistens. Aber doch, doch es gibt solche Liebe. Solche Paare gibt es. Paare deren Liebe so gereift und so sicher geworden ist, dass sie nicht mehr verloren geht. Selbst wenn der Tod sie scheidet. Aber die hat dann auch viel gekostet. Da müssen beide schwer daran arbeiten, beide bereit sein, immer wieder zu lernen, nachzugeben, zu wachsen, die Andersartigkeit und Fremdheit des anderen auszuhalten und anzunehmen. Ja, das gibt es. Solche Liebe! Gott sei Dank!
Solche Liebe gibt es allerdings nur dann, wenn sie wirklich frei lässt und frei gibt und nicht restlos alle Erfüllung vom anderen fordert. Gerade wo ich diese alles erfüllende Erfüllung nicht fordere und erwarte, sondern die eigenen Grenzen und die meines geliebten Menschen sehe und annehme, da kommt sie, die liebende Freiheit und diese befreite Liebe mit einem solchen Frieden und einer solchen Zustimmung und Annahme, wie sie eigentlich nicht möglich sind. Ich bin überzeugt, dass das nur mit Gottes Hilfe möglich ist.
Leider bleibt meist nur bei der Sehnsucht und dem Traum nach solcher Liebe, wie im Lied von Janis Joplin. Und immer wieder trennen sich Paare, weil er oder sie meint, jetzt, ja jetzt habe ich den Partner, die Partnerin gefunden, wo sich die Sehnsucht und der Traum erfüllt. Und dann nach zwei Jahren merke ich wieder. Nein, doch nicht. Weitersuchen? Oder an der Liebe arbeiten wie das Paar, das die Freiheit und die Liebe gefunden und erarbeitet hat und das selbst sagt: Wir haben sie geschenkt bekommen.
Machen wir uns bei aller unserer eigenen Schwachheit auf den Weg zu dieser liebenden Freiheit und dieser befreiten Liebe!
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
19. Juli 2017
Paulus ist der Prediger der Freiheit. Er ist der Meinung, dass die Zeit bis zum Ende der Welt kurz ist. Das macht uns auch frei. Es relativiert, was wir tun. Und das heißt, es bezieht alles auf dieses Kommen und das Nahesein Christi. Es sind darum alle so wichtigen Verhältnisse hier auf Christus zu beziehen und das macht diese irdischen Bindungen nicht unwichtig und löst sie nicht auf, keinesfalls, aber sie haben nicht den absoluten Vorrang. Den haben Christus und sein Kommen und seine Liebe und seine Freiheit.

Fünf vor Zwölf
Foto: சஞ்சீவி சிவகுமார் - CC BY-SA 3.0
1 Kor 7, 29 - 32
7,29 Denn ich sage euch, Brüder [und Schwestern]: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, 30 wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, 31 wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht. 32 Ich wünschte aber, ihr wäret ohne Sorgen.