
Foto: Jorge Barrios - CC BY 3.0
Ein Mann kommt mit seinem Wagen in die Werkstatt: „Meister, der Wagen kommt nicht vorwärts. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe das Gefühl, mit angezogener Handbremse zu fahren.“ „Hm!“, macht der Meister, schaut den Wagen genau an, geht in die Werkstatt und holt einen Hammer und haut auf eine bestimmte Stelle. Der Wagen fährt wieder. „100 Euro!“ Der Mann ist sprachlos. Ein einziger Schlag und 100 Euro! „Ja“, sagt der Meister, „ein Schlag 10 Cent! Gewusst wo: 99,90 Euro!“ Tatsächlich so passiert. Nicht mit den Preisen, aber mit dem „Gewusst wo!“ Also der Schlag mit dem Hammer und gewusst wo.
Zwar ist das kein rundum geeignetes Beispiel für Feinmotorik, kommt aber in die Nähe. Denn es braucht tatsächlich oft nur eine kleine Änderung an einer entscheidenden Stelle, um alles zu bessern, ja, wieder gut zu machen. Diese Sensibilität für diesen entscheidenden kleinen Eingriff meine ich. Da kommen dann Erfahrung, Aufmerksamkeit, scharfes Auge und Feinmotorik, also Präzision zusammen. Haben Sie so etwas auch schon erlebt? Und das gilt ja natürlich nicht nur für die Technik, sondern vor allem auch für den zwischenmenschlichen Bereich, weniger bürokratisch ausgedrückt für unsere oft so verwickelten Beziehungen.
Erfahrung, Aufmerksamkeit. Sensibilität für das Kleine. Feinmotorik in den Beziehungen. Dann reicht eine kleine Änderung, um alles zum Besseren, zur Entspannung, zur gelösten Stimmung zu wenden. Und es gibt Leute, die können das. Die haben diese feinmotorische Begabung nicht nur beim Stricken und dabei, den Faden in ein Nadelöhr einzufädeln, nein, eben auch in der Familie oder im Büro. Hier übrigens ein toller Trick für das Einfädeln.
Und das sind ja meistens Frauen – damit verrate ich kein Geheimnis. Sie sind – biologisch und hirnphysiologisch nachgewiesenermaßen – die feinmotorisch begabteren. Wir Männer sind eher Grobmotoriker. Darum werden die Frauen auch bei den Berufen eingesetzt, die feine Motorik brauchen. Nicht nur beim Löten von Leiterplatten, nein eben auch auf allen Ebenen zwischenmenschlicher Beziehungen, wo körperliche und seelische Feinmotorik gefragt ist.
Für mich ist jetzt mit Pfingsten das Fest der göttlichen Feinmotorik gekommen. Der Heilige Geist ist zwar eine gewaltige Kraft – wie ein alles zerbrechender Sturm – wie ein alles verzehrendes Feuer. So wird er uns geschildert: „Wie wenn ein gewaltiger Sturm daher führe… Apg 2,1). Ja, das ist der Heilige Geist, aber das ist nur eine Seite. Er hat auch die andere zarte, sensible, empfindsame Seite. Diese ist seit alters her auch als die weibliche Seite Gottes angesehen worden. Das hebräische Wort für Geisthauch ist „ruach“ und ist weiblich, genau wie die Weisheit Gottes, die Sophia. Darum sprechen manche Theologinnen auch von der Heiligen Geistin.
Für mich am schönsten kommt dieses milde und zarte, weiblich empfindsame Wirken des Geistes in folgenden Strophen der Pfingstsequenz zum Ausdruck:
In labore requies,
In aestu temperies,
In fletu solatium
Lava quod est sordidum,
Riga quod est aridum,
Sana quod est saucium.
Flecte quod est rigidum,
Fove quod est frigidum,
Rege quod est devium.
In Ermüdung schenke Ruh’,
In der Glut hauch Kühlung zu,
Tröste den, der trostlos weint.
Wasche, was beflecket ist,
Heile, was verwundet ist,
Tränke, was da dürre steht.
Beuge, was verhärtet ist,
Wärme, was erkaltet ist,
Lenke, was da irregeht.
Bei Kurt Marti, dem Schweizer Pfarrer und Schriftsteller (1921-2017), habe ich dies gefunden: „Unter der Hintertreppe der Engel lernte ich: Gewalt bleibt plump und summarisch, Liebe wird zart und genau. Ferner: jene ist unerbittlich, aber bestechlich, diese erbittlich, aber unbestechlich“ (in: Zart und genau, Berlin: EVA 1985, 255).
Darüber lohnt es sich, eine Weile zu Pfingsten und darüber hinaus zu meditieren. Und denken Sie daran, der Heilige Geist ist diese Liebe, zart, genau, erbittbar, aber unbestechlich!
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
27. Mai 2020
Hier die komplette Pfingstsequenz, wie sie uns Wikipedia aufgeschrieben hat zum Nachlesen, Nachbeten und Nachmeditieren.
Latein
Veni, Sancte Spiritus,
Et emitte caelitus
Lucis tuae radium.
Veni, pater pauperum,
Veni, dator munerum,
Veni, lumen cordium.
Consolator optime,
Dulcis hospes animae,
Dulce refrigerium.
In labore requies,
In aestu temperies,
In fletu solatium.
O lux beatissima,
Reple cordis intima
Tuorum fidelium.
Sine tuo numine
Nihil est in homine,
Nihil est innoxium.
Lava quod est sordidum,
Riga quod est aridum,
Sana quod est saucium.
Flecte quod est rigidum,
Fove quod est frigidum,
Rege quod est devium.
Da tuis fidelibus
In te confidentibus
Sacrum septenarium.
Da virtutis meritum,
Da salutis exitum,
Da perenne gaudium.
Amen. Halleluja!
Wörtliche Übersetzung
Komm, Heiliger Geist,
Und sende vom Himmel her
Deines Lichtes Strahl.
Komm, Vater der Armen,
Komm, Geber der Gaben,
Komm, Licht der Herzen.
Bester Tröster,
Süßer Gast der Seele,
Süße Erfrischung.
In der Mühe bist du Ruhe,
In der Hitze Mäßigung,
Im Weinen Trost.
O seligstes Licht,
Erfülle das Herzensinnere
Deiner Gläubigen.
Ohne dein Wirken
Ist nichts im Menschen,
Ist nichts unschuldig.
Wasche, was schmutzig ist,
Bewässere, was trocken ist,
Heile, was verwundet ist!
Beuge, was starr ist,
Wärme, was kalt ist,
Lenke, was vom Weg weg ist!
Gib deinen Gläubigen,
Die auf dich vertrauen,
Die siebenfache heilige Gabe!
Gib der Tugend Lohn,
Gib des Heiles Ausgang (Erfolg),
Gib beständige Freude!
Amen. Halleluja!
Heinrich Bone 1847
Komm, o Geist der Heiligkeit!
Aus des Himmels Herrlichkeit
Sende deines Lichtes Strahl!
Vater aller Armen du,
Aller Herzen Licht und Ruh’,
Komm mit deiner Gaben Zahl!
Tröster in Verlassenheit,
Labsal voll der Lieblichkeit,
Komm, du süßer Seelenfreund!
In Ermüdung schenke Ruh’,
In der Glut hauch Kühlung zu,
Tröste den, der trostlos weint.
O du Licht der Seligkeit,
Mach dir unser Herz bereit,
Dring in unsre Seelen ein!
Ohne Dein lebendig Wehn
Nichts im Menschen kann bestehn,
Nichts ohn’ Fehl und Makel sein.
Wasche, was beflecket ist,
Heile, was verwundet ist,
Tränke, was da dürre steht.
Beuge, was verhärtet ist,
Wärme, was erkaltet ist,
Lenke, was da irregeht.
Heil’ger Geist, wir bitten dich,
Gib uns allen gnädiglich
Deiner Gaben Siebenzahl.
Spende uns der Tugend Lohn,
Lass uns stehn an deinem Thron,
Uns erfreun im Himmelssaal.
Amen. Halleluja!