Es gibt nichts Gutes.
Außer: Man tut es.

Foto: Michael Schmid - CC BY-SA 2.0 AT

 

Ein Epigramm von Erich Kästner, das zum Sprichwort geworden ist. Und das oft und gern zitiert wird. Wieso eigentlich? Haben Sie es auch schon gesagt? Bei welcher Gelegenheit? Mich ärgert dieses Epigramm. Warum? Ich fühle mich davon unter Druck gesetzt. Wenn Du, lieber Thomas, das Gute nicht tust, das dir möglich ist, dann gibt es dieses Gute nicht. Tu also gefälligst das Gute, alles Gute, das dir möglich ist, sonst fehlt es. Sonst gibt es das Gute überhaupt nicht!

Ist das vielleicht nur mein moralisch überempfindliches Gewissen, das mir das so sagt? Mein Übervater, der mich diesen Spruch auf diese Weise hören und verstehen lässt? Höre also nur ich diesen Satz des großen Moralisten Erich Kästner so, weil ich mich gern und leicht unter solchen moralischen Druck setzen lasse? Wenn es das Gute nicht gibt, dann bist du selbst schuld, weil du es nicht getan hast?

Mit diesem Verständnis und dieser Auslegung habe ich das „man“ in dem Satz schon mit „ich“ übersetzt. Oder mit Du: „Es gibt nichts Gutes. Außer: Du tust es.“ So sagt es Kästner aber nicht. Ich denke bei mir, er sagt es nicht so, weil es sich dann nicht mehr so gut reimt. Aber vielleicht denke ich da falsch. Ich könnte nämlich dieses anonyme „man“ auch mit „irgendwer“ oder „jemand“ übersetzen. Dann reimt es sich auch nicht mehr, aber dann könnte ich dem leichter zustimmen, denn nun höre ich es nicht mehr als direkte Aufforderung an mich. „Es gibt nichts Gutes. Außer: jemand tut es.“ Das Gute will getan werden, hieße es dann allgemeiner gesagt. Eine Aufforderung nicht mehr speziell an mich sondern an alle.

Was meinen Sie? Ist es vielleicht so gemeint? Damit käme ich ganz gut zurecht. Dann wäre der Akzent auch auf dem Tun. Das Gute will getan werden. Das ist ja der ganz allgemeine und klassische Satz: „Tu das Gute und meide das Böse!“ Ist der Satz so gemeint? Im Unterschied zum Grundsatz aller Moraltheologie, legt Kästner dann schon sehr deutlich den Akzent auf das Tun. Das ist sicher richtig.

Aber gerade da erhebt sich für mich ein weiteres Problem mit Kästners Epigramm. Es gibt doch unendlich viel mehr Gutes als nur das, was ich tue. Auch mehr als andere tun. Auch mehr als andere getan haben. Denn jede Blume, die ich sehe, ist doch schon etwas Gutes. Die hat aber auch jemand gepflanzt und damit Gutes getan, so könnte eingewendet werden. Also bleibt´s bei Kästner. Aber doch nicht nur. Vielleicht hat ja sich ja die Blume auch selbst weitergepflanzt. Wie ich so manchen Löwenzahn an der Hauswand sehe oder sogar manchmal eine Sonnenblume oder gar beim Wandern in den Alpen den blauen Enzian und das seltene Edelweiß, holodrio!

Ganz viel Gutes ist doch einfach da und ist gut, weil es da ist, nicht weil es etwas Gutes tut. Und es ist gut und ist schön und erfreut mich, weil es einfach da ist, wie zum Beispiel nicht nur mein Alpenveilchen, sondern auch unser Dackel oder unsere Katze. Stimmt´s? Ist die Rose gut, weil sie Gutes tut? Oder ist die Rose gut, weil sie mir gut tut – nicht durch ihr Tun sondern durch ihr Sein? Wie die ganze Natur mir gut tut oder auch nur unser Stadtwald. Na, das weiß ja auch Erich Kästner:

Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
und tauscht bei ihnen seine Seele um.
Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.

Also mein ergänzendes Epigramm: Das Gute entspringt nicht nur dem Tun allein, nein, gut ist zuerst einmal das Sein. So möchte ich ganz optimistisch dem eher pessimistischen Kästner entgegenhalten. Und manchmal spüren wir das ja morgens, wenn wir so richtig gut geschlafen haben wie Joachim Ringelnatz: „Ich bin so knallvergnügt erwacht…

Das wünsche ich Ihnen (und auch mir) jedenfalls
Thomas Gertler SJ

24. Oktober 2018

 

„Es gibt nichts Gutes. Außer: Man tut es.“ Ja, auf wen trifft denn dieser Satz am meisten und am besten zu? Jedenfalls auf jemanden, an den Erich Kästner da nicht gedacht hat, nämlich auf unseren guten Gott. Und das wussten schon die Israeliten vor 2550 Jahren. Er hat alles gut gemacht und darum ist es jetzt auch gut und nicht erst durch eigenes Tun, sondern durch Gottes Tun. Und so lege ich Ihnen das erste Kapitel der Bibel vor und Sie dürfen zählen wie oft darin vorkommt: Und er sah, dass es gut war…

Foto: Pb 2001 - CC BY-SA 3.0

 

Genesis 1,1 - 31

1 Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde. 2 Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. 3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. 4 Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. 5 Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag. 6 Dann sprach Gott: Es werde ein Gewölbe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. 7 Gott machte das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. Und so geschah es. 8 Und Gott nannte das Gewölbe Himmel. Es wurde Abend und es wurde Morgen: zweiter Tag. 9 Dann sprach Gott: Es sammle sich das Wasser unterhalb des Himmels an einem Ort und das Trockene werde sichtbar. Und so geschah es. 10 Und Gott nannte das Trockene Land und die Ansammlung des Wassers nannte er Meer. Gott sah, dass es gut war. 11 Dann sprach Gott: Die Erde lasse junges Grün sprießen, Gewächs, das Samen bildet, Fruchtbäume, die nach ihrer Art Früchte tragen mit Samen darin auf der Erde. Und so geschah es. 12 Die Erde brachte junges Grün hervor, Gewächs, das Samen nach seiner Art bildet, und Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war. 13 Es wurde Abend und es wurde Morgen: dritter Tag.14 Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen. 15 Sie sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, um über die Erde hin zu leuchten. Und so geschah es. 16 Gott machte die beiden großen Lichter, das große zur Herrschaft über den Tag, das kleine zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne.17 Gott setzte sie an das Himmelsgewölbe, damit sie über die Erde leuchten, 18 über Tag und Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Gott sah, dass es gut war. 19 Es wurde Abend und es wurde Morgen: vierter Tag.20 Dann sprach Gott: Das Wasser wimmle von Schwärmen lebendiger Wesen und Vögel sollen über der Erde am Himmelsgewölbe fliegen. 21 Und Gott erschuf die großen Wassertiere und alle Lebewesen, die sich fortbewegen nach ihrer Art, von denen das Wasser wimmelt, und alle gefiederten Vögel nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war. 22 Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch! Füllt das Wasser im Meer und die Vögel sollen sich auf Erden vermehren. 23 Es wurde Abend und es wurde Morgen: fünfter Tag.24 Dann sprach Gott: Die Erde bringe Lebewesen aller Art hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Wildtieren der Erde nach ihrer Art. Und so geschah es. 25 Gott machte die Wildtiere der Erde nach ihrer Art, das Vieh nach seiner Art und alle Kriechtiere auf dem Erdboden nach ihrer Art. Gott sah, dass es gut war. 26 Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! Sie sollen walten über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen. 27 Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie. 28 Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen! 29 Dann sprach Gott: Siehe, ich gebe euch alles Gewächs, das Samen bildet auf der ganzen Erde, und alle Bäume, die Früchte tragen mit Samen darin. Euch sollen sie zur Nahrung dienen. 30 Allen Tieren der Erde, allen Vögeln des Himmels und allem, was auf der Erde kriecht, das Lebensatem in sich hat, gebe ich alles grüne Gewächs zur Nahrung. Und so geschah es. 31 Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag.