
Foto: Michal Jakubský - CC BY 3.0
Fangen wir wieder mit etwas Witzigem an. Mit meinem guten Freund John war ich bei meinem Amerika-Aufenthalt 1990 in einer kleinen Kneipe. John fragte: Was gibt es denn für verschiedene Biersorten bei Ihnen? Die junge Kellnerin sagte: “Nur eine! Too much choice is not good for People. Zu viel Auswahl tut den Leuten nicht gut.” Ich musste sehr lachen. Das war auch genau die Meinung der DDR-Regierung gewesen.
Und wir sind damit schon bei einem wichtigen Grund, warum Entscheiden für uns heute so schwer fällt. Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten. Ich weiß nicht, was ich wählen soll. Sei es bei der Kleidung. Sei es bei Veranstaltungen. Sei es auch beim Beruf. Mas mache ich denn? Wo gehe ich denn hin? Was nehme ich denn? Too much choice is not good for People. Genau! Wir haben hier und heute einfach zu viele Möglichkeiten. Ich habe Angst, genau das Richtige, das Wichtige, das Beste zu verpassen. Es gibt ganz viel zum Thema zu sagen und zu schreiben. Ich gebe hier nur ein paar erste Hinweise.
Je nach Menschentyp ist der Umgang mit Entscheidungen ganz unterschiedlich. Ich möchte hier einmal drei vorstellen. Mein erster Typ ist der Kopfmensch. Er durchdenkt seine Entscheidungen genau und macht vielleicht sogar eine Liste der Argumente und Gründe dafür und dagegen, was sehr hilfreich sein kann. Und was ich jedem empfehle, der klarer sehen möchte. Unser Kopfmensch sieht eigentlich ganz klar, wie er sich entscheiden sollte. Und trotzdem geht es sehr schwer. Irgendwie fehlt was. Er bleibt trotz Einsicht ganz unzufrieden mit seiner Liste und seinen Argumenten. Es fehlt nämlich das Herz bei der ganzen Sache. Und das Herz hat Gründe, die der Kopf nicht kennt („le coeur a ses raisons que la raison ne connaît point“), so sagt schon Pascal. Und wie hat er recht! Das Herz muss ich auf jeden Fall auch fragen bei meinen Entscheidungen.
Gehen wir also zum Herztypen und seinen Entscheidungen. Für diesen Typen sind die Beziehungen am wichtigsten, in denen er oder sie steht. Wie sind die Auswirkungen meiner Entscheidung auf meine Beziehungen? Auf die Menschen, die mir wichtig sind? Auf die, die ich liebe? Und es ist klar, dass das nicht allein die Beziehungen zu meinen Mitmenschen sind. Da spielt dann selbstverständlich auch meine Beziehung zu Gott hinein. Was will Gott von mir? Gibt es so etwas wie den Willen Gottes für mein Leben und wie kann ich ihn erkennen? Hier finden Sie etwas dazu. Es kann aber sein, dass der Herztyp seinen Verstand zu wenig befragt und nur immer bei seinen Beziehungen ist. Und so kommt er in Schwierigkeiten mit seinem Entscheiden. Es muss nämlich auch immer um die Sache gehen. Was ist das Richtige? Und der Herztyp ist in Gefahr, zu sehr nach Außen, auf die anderen zu schauen, was die denken, meinen, sagen, wie die reagieren werden. Er oder sie ist bei der Entscheidung zu wenig bei sich selbst. Was will ich denn? Was sagt denn mein Herz oder vielleicht auch mein Bauch.
Und damit sind wir beim dritten Typen und seiner Weise des Entscheidens, nämlich beim Bauchtypen. Er oder sie hat meist keine Probleme mit dem Entscheiden. Es geht schnell und heftig. Eben ganz aus dem Bauch heraus. Daraus was mir mein Gefühl sagt, was mir meine Intuition sagt, danach entscheidet er oder sie. Und das ist auch gut so. Der Bauchtyp steht zu seiner Entscheidung, weil sie ganz aus ihm kommt und das ist auch gut. Hier ist aber das Problem, dass die Entscheidung oft genauso so schnell umgestoßen wird, wie sie gefällt wurde. Weil sich die Gefühle ändern und morgen wieder andere sind. Weil die Entscheidung nicht durchdacht wurde. Weil sie zu wenig auf die anderen geschaut hat. Das ist das Problem mit den Bauchentscheidungen. Sie führen zu Konflikten und führen dazu, dass man nicht gut mit jemandem arbeiten und leben kann, der oft und heftig seine Entscheidungen ändert.
Also es ist klar: Bei meinen Entscheidungen müssen Kopf und Herz und Bauch gleichermaßen mit einbezogen werden. Nicht nur ein Faktor darf berücksichtigt werden.
Und noch ein letztes sei denen gesagt, die Angst vor Entscheidungen haben, weil sie vor allem den Verlust, das Scheiden beim Ent-Scheiden sehen. Und Scheiden tut bekanntlich weh. Denen sei gesagt: Schau auf den Gewinn, nicht auf den Verlust bei deiner Entscheidung. Es gibt ein schönes anderes deutsches Wort, das das zum Ausdruck bringt. Nimm statt Entscheiden das Wort Ent-Schließen. Das beschreibt diesen anderen Aspekt, nämlich das Aufschließen einer Tür. Das Öffnen eines Weges. Das Gewinnen einer Möglichkeit. Schauen Sie darauf! Entschließen Sie sich endlich! Es macht froh! Denn Sie gewinnen dabei.
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
3. November 2021
Am schönsten ist dieser positive Aspekt des Entschließens im folgenden Gleichnis Jesu ausgedrückt: Freudig alles hergeben, um das Eine, um den großen Schatz, um die einmalige Perle zu gewinnen. Darauf soll ich schauen. So wie Jesus soll ich es sehen und das kann ich auch.

Foto: Ralf Roletschek / roletscheck.at - CC BY-NC-ND 3.0
Matthäus 13,44 - 46
13,44 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. 45 Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. 46 Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.