Ein Stadtrundgang durch das Banken-
und Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main

Liebe Leserinnen und Leser,
heute darf ich Ihnen wieder einmal einen neuen Autor vorstellen. Stefan Reck studiert in Frankfurt „Sankt Georgen“ Theologie und hat unseren Kurs für Evangelisierende Seelsorge besucht. Er hat uns diesen Impuls geschrieben als Teil seiner Abschlussprüfung. Vielen Dank dafür und viel Freude beim Lesen.

Thomas Gertler SJ

 

 

 

Ziel unserer Exkursion von Theologie Studierenden war es, Gott zu suchen und zu finden, und das im Banken- und Bahnhofsviertel der Stadt Frankfurt am Main. Zu Fuß durchquerten wir zunächst das Bankenviertel mit Männern und Frauen in schicken Anzügen und Kostümen. Wir durchquerten einen Stadtteil voller Wolkenkratzer mit einer prachtvollen Architektur, in der sich vor allem Bank- und Versicherungsmitarbeiter aufhielten, die hektisch ihrer Arbeit nachgingen. Bei diesen Menschen handelte es sich vor allem um wohlhabende Mitbürger.

Doch schon einen halben Straßenzug weiter bot sich unserer Gruppe ein ganz anderes Bild. Direkt neben einem der großen Bankgebäude kamen wir auf unserem Weg an einer Drückerstube vorbei. Dort hatte sich um den Eingang des Gebäudes eine kleine Gruppe von Menschen versammelt, um Drogen auf verschiedene Art und Weise zu konsumieren.

Die Straße roch übel und die Menschen, die sich dort aufhielten waren schlecht gekleidet und viele von ihnen waren offensichtlich stark suchtkrank. Vereinzelt lagen auch einige von ihnen auf dem Boden, um verschiedene Rauschmittel zu konsumieren. Nur vereinzelt sah man Bank- und Versicherungsmitarbeiter durch die Straße gehen. Die meisten wechselten schnell die Straßenseite und machten einen großen Bogen um die Menschen. Nur wenige schenkten diesen Menschen überhaupt Beachtung.

Auch unsere Gruppe blieb auf ihrem Weg auf der anderen Seite. Dennoch nutzen wir die Gelegenheit, um uns das Geschehen in beiden Teilen der Straße genau anzusehen. Zu Gesprächen kam es mit keiner der beiden Gruppen. Dafür bot unsere kurze Stadtführung auch nicht genügend Zeit. In diesen Straßen wurde uns allen der Kontrast zwischen Arm und Reich sehr bewusst. Daran zeigt sich wie Reichtum und Armut Teil unserer Gesellschaft sind.

In der nachfolgenden Reflektion sprachen wir über das, was wir gesehen hatten. Es fiel uns zu Anfang schwer, eine Antwort darauf zu finden, wo uns in diesen Straßen Gott begegnet ist oder Lösungsansätze dafür zu finden, wie wir den Betroffenen helfen könnten. Letztendlich kamen wir zu der Erkenntnis, dass wir den Anzugträgern doch etwas näherstehen, als den Obdachlosen, Drogensüchtigen und Prostituierten, die uns im Bahnhofsviertel begegnet waren.

Unserem Auftrag nach sind wir Christen in besonderem Maß zu den Armen und Ausgestoßenen in unserer Gesellschaft gesendet. Wie aber können wir mit den Obdachlosen und Drogensüchtigen ins Gespräch kommen und ihnen helfen? Es können schon kleine Gesten sein, ein heißer Kaffee oder ein Euro, der den Betroffenen auf der Straße ein Stück weiterhelfen kann. Wir können sie durch ein Lächeln oder aufmunternde Worte dazu bewegen nicht aufzugeben.

Der Schritt ist naheliegend im Lukasevangelium die Geschichte vom reichen Mann und vom armen Lazarus als Vergleich heranzuziehen. Der arme Lazarus liegt direkt vor der Tür eines reichen Mannes und erhält von diesem Mann keinerlei Unterstützung. Im Jenseits werden die Rollen vertauscht. Der arme Lazarus ist im Himmel und liegt in Abrahams Schoß. Nun bereut der Reiche, dass er Lazarus nicht geholfen hat. Er befindet sich in der Unterwelt und leidet Qualen, weil er während seines Lebens den armen Menschen nicht geholfen hat und seinen Reichtum nicht mit den Armen geteilt hat.

Die Geschichte im Lukasevangelium will uns aufrütteln, etwas gegen Armut und Unrecht in der Welt zu tun. Am Beispiel des Frankfurter Banken- und Bahnhofsviertel können wir sehen, wie nahe Armut und Reichtum zusammenliegen. Wir sind dazu aufgerufen, unsere Augen nicht vor der Armut und dem Leid unserer Mitmenschen zu verschließen. Im Jenseits ist es für gutes Handeln zu spät. Wir sollen im Hier und Jetzt für unsere Mitmenschen aktiv werden.

Um die Frage zu beantworten, wo uns auf unserem Ausflug Gott begegnet ist, lautet die Antwort, dass er uns in besonderer Art und Weise in den Armen und Ausgestoßenen begegnet, denn alle Menschen sind ein Abbild Gottes und das gilt auch für die Menschen am Rand unserer Gesellschaft. Wir alle sind dazu aufgerufen, uns dafür zu engagieren Armut und Leid in der Welt zu bekämpfen. Ein heißer Kaffee für den Obdachlosen an der Ecke könnte ein Anfang sein. Vielleicht aber auch mehr – Mitarbeit in der Bahnhofsmission oder bei einer der vielen Anlaufstellen für die Obdachlosen. Es gibt sehr viele Möglichkeiten.

Es grüßt Sie herzlich
Stefan Reck

13. Juni 2018

 

Das Beispiel vom reichen Mann und vom armen Lazarus

 

Lk 16, 19 - 31

16,19 Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag glanzvolle Feste feierte. 20 Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. 21 Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. 22 Es geschah aber: Der Arme starb und wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. 23 In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von Weitem Abraham und Lazarus in seinem Schoß. 24 Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus; er soll die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. 25 Abraham erwiderte: Mein Kind, erinnere dich daran, dass du schon zu Lebzeiten deine Wohltaten erhalten hast, Lazarus dagegen nur Schlechtes. Jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest große Qual. 26 Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. 27 Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! 28 Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. 29 Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. 30 Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, aber wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. 31 Darauf sagte Abraham zu ihm: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.