Ein geistliches Gespräch über Leere

Albert Backer – CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

 

Oft ist eine große Leere in mir.

Kannst du sie beschreiben?

Das ist gar nicht so leicht.

Ist sie bedrohlich für dich? Macht sie dir Angst? Wie eine Wüste? Wie ein leeres Haus? Oder?

Nein, sie macht mir nicht so sehr Angst. Es ist eher so eine Gefühllosigkeit. Ich empfinde nichts mehr so richtig. Es ist irgendwie so etwas wie Gleichgültigkeit. Hat es vielleicht mit dem Alter zu tun?

Du meinst, es gibt nichts mehr Neues. Ich habe alles schon erlebt. Es gibt nichts mehr, was mich wirklich angeht und aufregt. Abgeklärtheit. Kühle des Alters.

Ja, ein wenig so. Aber ich denke auch, es sollte vielleicht nicht so sein. Ich bin doch noch nicht so alt.

Und ist es auch im Gebet so?

Ja, gerade im Gebet. Da ist diese Leere da. Es ist oft nichts mehr zu spüren als diese Leere.

Bei allen Weisen des Betens?

Vor allem beim persönlichen Gebet, bei der Meditation, in der Stille, da ist dann die Leere da. Beim Gottesdienst nicht so.

Manchmal soll man die Weise des Betens auch wechseln. Also mal mehr biblisch, einen Schrifttext meditieren. Oder auch mal Wort für Wort. Bei jedem Wort so lange bleiben, wie ich etwas schmecke. Oder auch mal hin zum Jesusgebet, das ja nur in dem Wiederholen des „Herr, erbarme dich meiner“ im Atemrhythmus besteht. Oder auch mal den Rosenkranz. Der heilige Ignatius sagt, ich soll immer die Form des Gebetes wählen, in der ich Gott am leichtesten finde (also nicht: die mir am bequemsten ist!).

Diese Leere besagt nicht, dass ich Gott und Jesus nicht verbunden bin. Nein, so oft erfahre ich mich als geführt und geleitet durch Gott. Es gibt Zeichen dafür in meinem alltäglichen Leben. Oft ganz überraschend und so schön. Aber eben nicht in der Gebetszeit.

Also die Leere bedeutet nicht das Fehlen Gottes oder ein nicht mehr glauben können?

Nein, so ist es nicht. Gott ist da und ich glaube auch an ihn. Aber ich spüre eben viel weniger. Ich möchte eigentlich mehr fühlen.

Dann bitte darum. Bitte darum, dass du Ihn berühren kannst oder dass Er dich berührt. Ignatius, unser Ordensgründer aus dem 16. Jahrhundert fordert uns immer auf, dass wir um den Trost der spürbaren Nähe Gottes bitten und uns darum bemühen sollen. Suche mit allen Deinen Kräften nach ihm! „Wer sucht, der findet. Wer anklopft, dem wird aufgetan. Wer bittet, der empfängt.“ Also Suchen, Klopfen, Bitten. Und zwar nachdrücklich. Zu diesem Nachdruck fordert uns auch Jesus auf mit dem Gleichnis vom ungerechten Richter (Lk 18,1-8).

Das Ganze erinnert mich an Maria und Josef. Sie hatten ja auch Jesus verloren. Als er zwölf Jahre alt war.

Stimmt! Und hier in Augsburg gibt es in St. Peter eine Madonna, die ihr Kind verloren hat und auf ihre leeren Hände schaut.

Ja, ich habe sie gesehen und lange angeschaut. Ist das nicht auch wieder so ein Zeichen? Ich bin nicht allein damit.

Ja, so kannst Du es sehen.

Es kann so sein, wie hier aufgeschrieben. Dennoch ist Gott da. Und er zeigt sich auch.

Das wünsche ich Ihnen!
Thomas Gertler SJ

29. November 2017

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Madonna mit fehlendem Kind in St. Peter (Augsburg)
Foto: Dark Avenger– CC BY-SA 3.0

Lk 2,41 – 52

2,41 Und seine Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest. 42 Und als er zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf nach dem Brauch des Festes. 43 Und als die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem, und seine Eltern wussten’s nicht. 44 Sie meinten aber, er wäre unter den Gefährten, und kamen eine Tagereise weit und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten. 45 Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie wieder nach Jerusalem und suchten ihn. 46 Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. 47 Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. 48 Und als sie ihn sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: Mein Kind, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. 49 Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist? 50 Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sagte. 51 Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen gehorsam. Und seine Mutter behielt alle diese Worte in ihrem Herzen.52 Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.

Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. Die Verwendung des Textes erfolgt mit Genehmigung der Deutschen Bibelgesellschaft. www.die-bibel.de