Die Verborgenheit Gottes

Foto: Siobhan Leachman - CC0 1.0

Dass Gott sich so verbirgt, macht gerade jetzt vielen zu schaffen. Wir wünschten, dass er allen sichtbar eingreifen würde, befreiend, erlösend, helfend, rettend. Das geschieht nicht. Obwohl Gott befreit, erlöst, hilft und rettet. Es ist uns aber nicht sichtbar. Es ist verborgen. Es ist oft nur in kleinen Glaubenszeichen erkennbar. Auch jetzt. Aber eben nicht demonstrativ, sondern nur den Augen des Glaubens sichtbar. Gott bleibt verborgen.

Mir ist gerade jetzt am Aschermittwoch etwas darüber klar geworden, und zwar an dem Evangelium des Aschermittwochs. Da spricht Jesus von dem verborgenen Gott: Mt 6,6 Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

Das ist so eine Nebenbei-Aussage: dein Vater, der im Verborgenen ist. Wie leicht beachtet man sie gar nicht. Dass Gott, unser Vater, im Verborgenen ist, sagt Jesus so nur hier – soweit ich mitbekommen habe. Und in keinem der üblichen und bekannten Kommentare habe ich etwas über dieses Wort Jesu gefunden. Es wird gar nichts dazu gesagt, obwohl es doch zur Begründung gehört, warum wir uns beim Beten, beim Fasten, beim Almosengeben auch selbst verbergen und unsichtbar sein sollen. Man geht in den Kommentaren nur darauf ein, dass wir all das nicht tun sollen, um von den Menschen gesehen, geehrt und auf die Weise belohnt zu werden.

Wenn ich mich verberge, so bleibt das Gute, was ich tue, etwas zwischen Gott und mir – und natürlich denen, denen ich das Gute tue. Es bleibt allen anderen verborgen. Wie Gott selbst und sein gutes Tun verborgen sind. Und hier wurde mir etwas klar: Wir nehmen dadurch, dass das Gute, das wir tun, verborgen bleibt, an Gottes Verborgenheit selbst teil. Und das allermeiste, das Gott uns immerzu und in jedem Augenblick an Gutem tut, das ist uns verborgen. Nehmen wir als Beispiel nur unsere Gesundheit. Damit wir wirklich gesund sind, muss unendlich viel zusammenspielen und miteinander harmonisch wirken. Nur ein ganz Kleines braucht auszufallen und das Ganze klappt nicht mehr. Die Gesundheit ist dahin.

Kann und darf ich so die Welt anschauen? Wirkt Gott meine Gesundheit? Nicht nur und nicht allein. Das ist klar. Am meisten wirke ich dabei selbst mit oder wirke ich auch dagegen, indem ich leider ungesund lebe. Und so sind unendlich viele Faktoren dabei wirksam. Aber Gott ist dabei zuinnerst allem präsent. Und er wirkt da auch, aber eben auf verborgene Weise. Das liegt genau daran, dass Gott nicht Teil dieser Welt ist, weder räumlich noch zeitlich. All das übersteigt er. Oder auf Latein: er ist transzendent. Er ist nicht Teil der Welt. Aber gerade dadurch ist er allem gegenwärtig und allem zuinnerst. Und sein Wirken ist ebenso transzendent, also das Messbare und Zählbare grundsätzlich übersteigend. Aber für uns eben darum so nicht fassbar und materiell feststellbar, aber dennoch zuinnerst in allem da und wirkend. Die Verborgenheit ist darum die Art und Weise seines Seins und seines Wirkens. Gott ist im Verborgenen. Fachtheologisch ausgedrückt: Gottes Transzendenz ermöglicht seine Immanenz – weil er alles Räumliche und Zeitliche übersteigt (Transzendenz), ist er räumlich und zeitlich überall zugegen (Immanenz).

Zurück zu uns. Wenn wir verborgen Gutes tun, dann handeln wir auf unsere menschliche Weise wie Gott, der Vater. Dann sind wir ihm verbunden. Und darin besteht dann auch der Lohn unseres guten Tuns – im innerlich mit dem verborgenen Gott und Seinem verborgenen Wirken Verbunden Sein. Wir sind ihm nah. Ihm, dem unendlich Guten. Er wohnt in uns und wir in ihm, wenn wir so handeln. Und das merken wir an einem großen Trost und einem inneren Frohsein. Das wird uns von vielen Heiligen berichtet, die genau diese Erfahrung machten, wenn sie verborgener Weise, unbemerkter Weise, heimlicher Weise Gutes taten für andere. Dann erfüllte sie göttliche Freude.

Es grüßt Sie herzlich am Beginn der Fastenzeit

Thomas Gertler SJ

9. März 2022

In allen großen Religionen gibt es die drei Werke: Almosen, Gebet und Fasten. Unten sehen Sie eine buddhistische Almosenschüssel, in die eine Gabe gelegt wird. In allen großen Religionen gibt es auch die Gefahr der Veräußerlichung dieser Werke und die Mahnung zur Innerlichkeit und gewissermaßen zur Verborgenheit.

Foto: Gary A Collett - CC BY-SA 4.0

 

Matthäus 6,1 - 18

6,1 Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zu tun, um von ihnen gesehen zu werden; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten. 2 Wenn du Almosen gibst, posaune es nicht vor dir her, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden! Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. 3 Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut, 4 damit dein Almosen im Verborgenen bleibt; und dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

5 Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler! Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. 6 Du aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.

16 Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler! Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. 17 Du aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, 18 damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.