
Foto: Doris Krieger-Müller
Ich habe mir sagen lassen, Weinbergschnecken schmecken gut! Vor vielen Jahren auf einer Reise in die Normandie habe ich sie schon einmal in einem Restaurant gegessen. Die knoblauchhaltige Kräuterbutter war köstlich, die zusammengeschrumpfte Schnecke fühlte sich im Mund wie eine zähe gummiartige Masse an, die eigentlich nach nichts schmeckte, der Knoblauch dominierte. Die köstliche Kräuterbutter mit Brot hätte mir gereicht. Aber ich wollte es wissen, was den Reiz ausmacht so eine Schnecke zu essen. Ich habe danach nie wieder eine probiert. In Deutschland gelten Weinbergschnecken nach der Bundesartenverordnung als „besonders geschützt“. Schnecken zum Verzehr kommen von sogenannten Schneckenfarmen.
Ich mag diese Tiere, von denen behauptet wird, dass sie so langsam sind und viele sie eklig finden. Das Schneckentempo beträgt ca. 7 cm in der Minute sagt Wikipedia. Das ist wirklich nicht schnell. Mich fasziniert, wie die Weinbergschnecken ihre Fühler in alle Richtungen wie Antennen ausstrecken und sie wieder einfahren können, dabei neugierig ihre Umwelt nach Nahrung, Gefahren, einem/r Partner/in und sicherlich noch nach viel mehr ausstrecken, das sich uns Menschen nicht erschließt. Was ich bisher nicht wusste, sie können mit Ihren oberen Fühlern nicht nur sehen sondern auch riechen. Hören können Schnecken nicht. Besonders beeindruckend finde ich, wie sie sogar über eine scharfe Kante kriechen können ohne sich dabei zu verletzen und wenn es ihnen einmal in der Welt zu bunt wird, haben sie immer gleich ein schützendes Haus dabei, in das sie sich zurückziehen können. Das wünschte ich mir auch manchmal, ein Haus, dass immer nah und bereit steht, als Rückzugsort, immer prompt da, wenn ich es brauche.
Auf den ersten Seiten des Exerzitienbuches schreibt Ignatius von Loyola in seinen Anweisungen an die Begleiter, den Sinn einer biblischen Geschichte dem zu Begleitenden nicht zu viel zu erklären, zu erläutern und auszuweiten; „denn nicht das Vielwissen sättigt und befriedigt die Seele, sondern das Verspüren (sentir) und Verkosten (gustar) der Dinge von innen her (internamente). Vielwissen will hier nicht sagen, dass Wissen unnötig sei. Über die biblische Geschichte Bescheid zu wissen und überhaupt über ein vernünftiges Allgemeinwissen zu verfügen ist wichtig. Es ist auch wichtig, Gelesenes und Gehörtes kritisch zu hinterfragen und nicht einfach alles zu schlucken. Aber Wissen und Hinterfragen allein befriedigt nicht, wenn ich es nicht zu verkosten, zu erspüren und zu verinnerlichen weiß.
Warum machen wir es im Glauben nicht wie die Weinbergschnecken? …tasten uns langsam voran, strecken die Fühler in alle Richtungen aus, immer neugierig auf das, was uns Gottes Wort und Gottes schöne Welt sagen könnten, erspüren was uns gut tut und uns Heil bringt. Ja natürlich, tägliche Meldungen über neue Missbrauchsfälle, Vergebungsbitten und ungünstige Kirchenstrukturen, die dafür verantwortlich sein sollen und ändern tut sich ja doch nichts, höre ich immer wieder. An die Stelle von Vertrauen rückt Kontrolle. Ich mag das schon alles nicht mehr hören und würde mich am liebsten nur noch verkriechen. Langsam reicht es und ich frage mich wo das hinführt, sind Aussagen die mir täglich begegnen. … und es geht noch schlimmer, Thema Kirche verdammt zum Tabuthema, jedes Wort, sogar ein Negatives, wäre ein Wort der Würdigung zu viel.
Aber das ist zum Glück ja nur die eine Seite. Ich selbst habe neben manch Negativem in meinem Leben erfahren dürfen, welche großen Schätze und Reichtümer das Christentum birgt, wie es Reifung, Wurzeln und innere Freiheit gibt. Dazu zählen kulturelle Identität und Würde.
Saurer Boden gehört zum Leben dazu, das weiß auch die Weinbergschnecke, die wenn sie ihn riecht, sich ganz schnell mit 7 cm in der Minute schleunigst aus dem Staub und in Richtung guter kalkhaltiger Boden auf den Weg macht. Den guten Boden benötigt sie für den gesunden Erhalt ihres Häuschens. So wie die Weinbergschnecke, stoßen auch wir manchmal auf sauren Boden. Wie gesagt, saurer Boden gehört zum Leben, zum Glaubensleben dazu. Fragen Sie sich doch einmal, ob Sie sich vom sauren Boden bestimmen lassen möchten!? Die Weinbergschnecke lässt ganz selbstverständlich den sauren Boden „links liegen“ um besseren Boden zu suchen, das dürfen auch wir, uns der guten ‚geistigen’ Nahrung zuwenden. Bitte geben sie dem Verdruss, dem sauren Boden keinen Raum in sich! Leider gibt es keine Bundesartenverordnung, die Christen „besonders schützt“. Auf sich selbst gestellt ist und bleibt die Frau, der Mann. Das ist eine durchaus christliche Haltung.
Ich lade Sie ein, mit mir auf Schatzsuche zu gehen…, um die Schätze des Christentums neu zu beleben, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Auch mir ist Manches zu bunt und auch ich fühle mich oft nicht wahrgenommen und nicht gehört. Aber wie die Schnecke weiß ich, ein Leben nur im Schneckenhaus, wird kein Leben in Fülle.
Die Weinbergschnecke macht es uns vor, sie zieht sich in ihr Schneckenhaus zurück, kommt aber immer wieder heraus und streckt ihre Fühler immer wieder aufs Neue aus, manchmal ganz schön weit… Das dürfen auch wir, neugierig betrachten und abtasten, was uns umgibt und uns langsam dahin tasten, was uns anspricht, was uns „schmeckt“ an einer Bibelstelle, in einem guten Buch, an einem Bild, einem Film, in der Natur. Wir lassen den gefundenen Schatz im Munde zergehen, verkosten ihn, beginnen ihn langsam zu verdauen und lassen ihn in unserem Herzen wirken. Ich bin mir sicher, wer es macht wie die Weinbergschnecke, rückt der Wahrheit, der Wahrheit über sich selbst und Gott ein Stück näher.
Es grüßt Sie herzlich
Doris Krieger-Müller
31. Oktober 2018
Zum Zeitpunkt der ersten Abschiedsrede von Jesus, waren die Jünger bereits mehr als zwei Jahre mit Jesus unterwegs. Sie hatten seine Worte gehört und seine Wunder miterlebt, sie aber offenbar noch nicht wirklich verstanden. Ihre Wünsche, Vorstellungen und Erwartungen an den Messias/an Jesus standen Ihnen dabei im Weg. Sie formten sich Ihre eigene Wahrheit über sein Leben und den Weg den er gegangen ist. Auch wir machen uns oft Vorstellungen von Begebenheiten, Kirche und Glauben und „wissen“ schon gleich wie etwas zu sein hat, wir legen uns oft eine Wahrheit zurecht, die bequemer ist, uns gar besser dastehen lässt, gerade so wie es uns am besten passt, anstatt den Geist Gottes in uns, in unseren Herzen wirken zu lassen. Im heiligen Geist ist Wahrheit. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott uns den Weg zu mehr Leben und damit zu ihm weißt.

Foto: ACOR Cannes - CC BY-SA 2.0
Johannes 14,5-6
Thomas sagte zu Jesus: HERR, wir wissen nicht, wo du hin gehst; und wie können wir den Weg wissen? Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.…