Der Trost der ganzen Welt

Foto: Thomas Gertler

 

Von Herzen frohe und gesegnete Weihnachten wünsche ich Ihnen! Besonders möchte ich Ihnen dieses Jahr den Trost, den Herzenstrost dieses Festes wünschen. Und dazu habe ich Ihnen dieses Jesuskind mitgebracht. Das ruht bei mir das ganze Jahr über in einer besonderen Schachtel, aber zu Weihnachten hole ich es hervor und lege es in meine Gebetsecke auf diesen Strohstern. Ich habe es von den Kleinen Schwestern Jesu vor vielen Jahren geschenkt bekommen. Sie stellen dieses Jesuskind ganz einfach aus Ton her. Es ist ein bisschen kleiner als mein kleiner Finger und der Kopf ist so groß wie mein Fingernagel. Und dieses kleine Kind ist mein Trost. Es ist mein Trost, weil es mich so froh und liebevoll anlächelt, weil es mir die kleinen Arme entgegenstreckt. Natürlich kenne ich viele Jesuskinder. Dieses lächelt für mich am schönsten. Was meinen Sie? Fühlen Sie sich auch angestrahlt und angelächelt? Tröstet es Sie auch?

Das ist der Sinn von Weihnachten, dass wir so getröstet werden und dass in uns durch dieses liebevolle Lächeln und durch diese ausgestreckten Arme das Herz warm wird und sich füllt mit Liebe und Zärtlichkeit. Und dazu muss ich dieses kleine Kind auf eine solche Weise im Glauben anschauen, dass dieses Lächeln, diese Liebe, diese ausgestreckten Arme mir, mir persönlich, gelten. Besser gesagt, dass sie Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, persönlich gelten. Und dazu muss ich vielleicht dieses Kind in mein Zimmer mitnehmen und lange anschauen, an mein Herz drücken und küssen.

Dazu fallen mir zwei kleine Geschichten ein. Wenn vor etwa zweihundert Jahren ein Mädchen ins Kloster ging, dann bekam sie von ihren Eltern mitgegeben ein „Trösterlein“. Das war auch ein kleines Jesuskind. Es sah so aus wie dieses hier.

Das ist nämlich so eins: ein Wickelkind oder auch Fatschenkind (vom lat. Fascia‚ „Binde“, „Wickelband“). Früher hat man ja die Säuglinge so gewickelt (gefatscht). Dieses Kind war gedacht als Trösterlein für die junge Schwester in ihrer Klosterzelle, wenn sie sich allein und einsam fühlte. In dieser Corona Weihnacht wird es vielen so ergehen. Wie in der Klostereinsamkeit. Wie in einer Zelle. Aber Jesus kommt. Er lächelt Ihnen ganz persönlich zu und will Sie trösten.

In einem Franziskanerkloster oder einem Kapuzinerkloster – ich weiß nicht mehr genau – gibt es die Sitte, dass jeder Pater das Jesuskind aus der Krippe der Klosterkirche für eine Stunde zum ganz persönlichen Beten mit aufs Zimmer nehmen darf. Das ist jetzt auch eine Einladung, sich mit Ihrem persönlichen Lieblingsbild oder mit Ihrer Lieblingsfigur eine stille Zeit zu nehmen. Alle Fragen, Nöte, Einsamkeiten, Bedrängnisse und Traurigkeiten hin zu Ihm zu bringen und sich von Ihm mit Liebe und Zärtlichkeit anschauen und anlächeln zu lassen und von Ihm zu hören: Du bist geliebt, ja, Du, ganz persönlich, und alles wird gut!

Und noch ein Gedanke zum Trost, den ich jetzt gerade in einem Buch darüber gelesen habe. Der Unterschied von Trost und Vertröstung ist, dass nur diejenige oder derjenige wirklich trösten kann, der sich auf den Schmerz und das Leid einlässt, also wirklich Empathie zeigt, aber eben doch nicht so, dass er selbst mit versinkt in Leid und Ungetröstetsein, nein, da muss noch die Zuversicht, das Vertrauen und die Erfahrung hinzukommen, dass es zu überstehen und durchzustehen ist. Die Vertröstung bleibt immer nur an der Oberfläche, sie geht nicht wirklich mit hinein, sie bleibt daneben und zuletzt gleichgültig, während der echte Trost mit hineingeht.

Und das macht darauf aufmerksam, dass uns dieses Kind zur Weihnacht auch deshalb tröstet, weil wir wissen, wer es ist. Dass dieses Kind in alles menschliche Leid, alle menschliche Not, alles Dunkle und Undurchschaubare, alles Schlimme und abgrundtief Böse hineingeht, es kennt und durchleidet bis zum bitteren Kelch des Todes – ohne den Glauben und die Liebe zu verlieren. Und am Ende aufersteht. Das tröstet uns und hilft uns auf.

In der Weihnachtspräfation hören wir: „In der sichtbaren Gestalt des Erlösers lässt du uns den unsichtbaren Gott erkennen, um in uns die Liebe zu entflammen zu dem, was kein Auge geschaut hat.“ So wird also in der Liturgie der Sinn der Menschwerdung Gottes beschrieben: Gott wird Mensch, damit wir ihn, den Unsichtbaren, leichter zu lieben vermögen. Und was ist leichter zu lieben als ein Kind, das uns anlächelt und uns die Arme entgegenstreckt? So will Gottes Liebe ganz kindlich zu uns kommen. Und wenn in uns wieder die Liebe entflammt ist, dann will sie weitergegeben werden und dann soll sie weiterstrahlen, dann soll der Trost, der uns getröstet hat, weitergehen an alle, die jetzt trostlos und traurig und elend und draußen und hoffnungslos und allein sind. Dann wird Weihnachten in dieser Corona Zeit für alle.

Das wünsche ich Ihnen, das wünsche ich uns von Herzen
Thomas Gertler SJ

23. Dezember 2020

Auf dem Bild von Thomas Cole aus dem 19. Jahrhundert unten sehen wir das ganze weihnachtliche Ereignis: im Vordergrund die Botschaft der Engel, aber im Hintergrund den Stern von Bethlehem, der genau über dem Stall steht, zu dem die Hirten gleich aufbrechen werden.

 

Lukas 2,1 - 20

2,1 Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augustus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen. 2 Diese Aufzeichnung war die erste; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. 3 Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. 4 So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. 5 Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. 6 Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte, 7 und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. 8 In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. 9 Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. 10 Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: 11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. 12 Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. 13 Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens. 15 Und es geschah, als die Engel von ihnen in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat! 16 So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. 17 Als sie es sahen, erzählten sie von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. 18 Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde. 19 Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen. 20 Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten, so wie es ihnen gesagt worden war.