Der negative Gottesbeweis

Foto: Simon A. Eugster – CC BY-SA 3.0

So nenne ich für mich die Erfahrung, dass uns gerade dann bewusst wird, wie nahe Gott uns gewesen ist, wenn er uns entschwindet und dass er uns jetzt nicht mehr spürbar nahe ist. In einem kleinen Gedicht sagt uns das Hans Carossa (1878-1956) viel schöner:

WAS EINER IST ...

Was einer ist, was einer war,
Beim Scheiden wird es offenbar.
Wir hörens nicht, wenn Gottes Weise summt,
Wir schaudern erst, wenn sie verstummt.

Ja, wir schauern erst, wenn sie verstummt die tröstende, die froh stimmende Weise Gottes. Vorher habe ich in der Küche oder beim Schreiben vor mich hin gepfiffen, jetzt bin ich stumm und leer und ausgetrocknet. Wir merken erst, wie gut es uns ging, wenn es uns schlecht geht.

Denn wir halten es für selbstverständlich und gerade richtig so, dass wir innerlich gut gestimmt sind, dass wir uns getragen und geliebt fühlen, dass wir eins sind mit Gott und der Welt und darum vor uns hin summen. Erst wenn Gott uns diesen Trost entzieht, wird es uns bewusst, dass er eben nicht selbstverständlich ist. Dass wir ihn nicht machen und herstellen können und dass er ohne Ankündigung entschwinden sein kann.

Und weil uns das eben erst durch den Entzug spürbar wird, und zwar schmerzlich, darum nenne ich das den negativen Gottesbeweis. Erst das Fehlen Gottes macht uns klar, dass er vorher da gewesen ist. So sagt Ignatius mit seinen Worten: [Gott entzieht uns den Trost] „Um uns wahre Kenntnis und Einsicht zu geben, damit wir innerlich verspüren, dass es nicht bei uns liegt, gesteigerte Andacht, intensive Liebe, Tränen oder irgendeine andere geistliche Tröstung herbeizubringen oder zu haben, sondern dass alles Gabe und Gnade Gottes unseres Herrn ist; und damit wir uns nicht in fremder Sache einnisten, indem wir unseren Verstand zu irgendeinem Hochmut oder eitlem Ruhm erheben und die Andacht oder die anderen Eigenschaften der geistlichen Tröstung uns zuschreiben (Exerzitienbuch Nr. 322).

Dass wir es nicht selbst durch eigene Anstrengung, durch gute Atemtechnik oder gekonnte Sitzhaltung erreichen oder anderswie selbst machen können, ist uns heutigen Menschen vielleicht schwer erträglich, weil wir ja sonst alles herzustellen und machen zu könnenmeinen. Es gibt aber auch etwas sehr Gutes und Tröstliches daran, nämlich dass wir tatsächlich durch diesen Wechsel von Trost und Trostlosigkeit Antwort bekommen und nicht nur vor der weißen Wand meditieren. Wenn wir es selbst machen könnten, wüssten wir nie, ob eigentlich unser Beten bei Gott ankommt, ja ob das Gebet nicht sowieso nur so etwas wie autogenes Training ist. Das ist eben Gebet nicht! Gebet ist Beziehung und es gibt eine Antwort von Gott in diesem Wechsel von Trost und Trostlosigkeit, von Erfahren seiner Nähe und Erfahren seiner Ferne.

Das aber worum wir uns immer bemühen sollen, ist das Erfahren des Trostes, der Freude, der Nähe Gottes. Und da gibt es noch weitere Ratschläge des hl. Ignatius. Wenn wir uns so verlassen, so trocken und leer finden, sollen wir uns immer sagen: So wie es gekommen ist, so wird es auch wieder vergehen. Habe Geduld! Und bitte darum, dass Er sich wieder spüren lässt! Zeige durch mehr Gebet und mehr an Bemühen, dass Er dir wichtig ist. Sei gewiss, dass Gott da ist, auch wenn du ihn nicht spürst! Wie es Roy Black singt: Die Sonne scheint bei Tag und Nacht…

Gottes Gnadensonne ist immer da, auch wenn Wolken den Himmel bedecken oder mein Teil der Erde sich aus der Sonne herausgedreht hat. Und zuletzt: Triff keine wichtigen Entscheidungen, wenn du in Trostlosigkeit bist, weil du dann in Gefahr bist, wegzulaufen oder das Geringere zu wählen. Gegen diesen Rat wird oft und mit großem Schaden verstoßen.

So das ist für heute wieder genug und nun wissen Sie, was der negative Gottesbeweis ist.

Dass Gott sich Ihnen heute positiv als gegenwärtig zeigt und beweist, das wünsche ich Ihnen.

Thomas Gertler SJ​​​​​​​

26. Juni 2019

Trostlosigkeit beschreibt der Beter des Psalms 6 als ein Dahinwelken wie es auf dem Bild zu sehen ist. Aber wie so oft gibt es auch in diesem Psalm einen Wendepunkt von Trostlosigkeit zu Trost, hier in Vers 9: der Beter erfährt Stärkung und Erhörung seines Flehens. So sollen auch wir immer um den Trost und die neue Kraft bitten.

Psalm 6,1 – 11

6,1 Ein Psalm Davids.
2 HERR, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm!
3 Sei mir gnädig, HERR, denn ich welke dahin; heile mich, HERR, denn meine Glieder erstarren vor Schrecken!
4 Meine Seele ist tief erschrocken. Du aber, HERR - wie lange noch?
5 HERR, wende dich mir zu und errette mich, um deiner Güte willen bring mir Hilfe!
6 Denn im Tod gibt es kein Gedenken an dich. Wer wird dich in der Totenwelt preisen?
7 Ich bin erschöpft vom Seufzen, jede Nacht benetze ich weinend mein Bett, ich überschwemme mein Lager mit Tränen.
8 Mein Auge ist getrübt vor Kummer, ist matt geworden wegen all meiner Gegner.
9 All ihr Übeltäter, weicht zurück von mir, denn der HERR hat mein lautes Weinen gehört!
10 Gehört hat der HERR mein Flehen, der HERR nimmt mein Beten an.
11 In Scham und tiefen Schrecken geraten all meine Feinde, sie müssen sich wenden, werden plötzlich beschämt.