
Foto: NASA
Der Morgenstern ist der am längsten sichtbare Stern am Himmel, bevor die Sonne aufgeht. Darum nennt man ihn den Morgenstern. Zu manchen Zeiten aber ist er jedoch der Stern, der als erster am Abend sichtbar wird und heißt darum Abendstern. Lange wusste man es nicht, aber es ist beides mal der gleiche Stern, nämlich die Venus. Sie ist der Planet, der uns am nächsten steht. Er bewegt sich zwischen Sonne und Erde. Darum ist er so sehr gut zu sehen. Er ist auch fast so groß wie die Erde. Es ist aber sehr ungemütlich auf diesem Planeten. Es ist nämlich 465 Grad heiß. Und das liegt am Treibhauseffekt, denn die Atmosphäre der Venus besteht hauptsächlich aus Kohlendioxyd. Der Atmosphärendruck ist ungeheuer hoch – so hoch wie bei uns in 900 m Meerestiefe.
Aber wir wollen hier keine Astronomie betreiben. Der Morgenstern am Himmel ist der Stern der Hoffnung. Wenn wir ihn sehen, ist der Sonnenaufgang nicht mehr fern. So wird darum das (erste) Kommen Christi als Aufgang des Morgensterns gesehen. Er kündet uns die nahe Ankunft des Reiches Gottes, des Reiches des Lichtes und des Friedens. Wie es im 2. Petrusbrief heißt: 1, 19 Dadurch ist das Wort der Propheten für uns noch sicherer geworden und ihr tut gut daran, es zu beachten, wie ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen. Jesus bezeichnet sich in der Offenbarung des Johannes selbst als den Morgenstern (Offb 22,16). Mit seinem Kommen in die Welt beginnt das Dunkel zu weichen, das Licht sich anzukündigen, das alles endgültig erleuchten wird. Es beginnt schon wirklich, aber es ist auch noch unterwegs. Es beginnt klein und unscheinbar, aber es fängt damit der Sieg über die Finsternis an.
Der Stern ist eines der am meisten gebrauchten Adventzeichen geworden. Das liegt zuerst daran, dass wir bis Weihnachten, bis zu Wintersonnenwende und darüber hinaus, in der dunklen Jahreszeit leben. Und diese Dunkelheit legt sich auch auf Seele und Gemüt. Wir sehnen uns nach Licht und Trost. Und solches Sternenlicht tröstet. Und natürlich spielt der Stern von Bethlehem auch noch seine Rolle. Der Stern als Zeichen für die Ankunft des neuen Königs der Juden, wie es uns die Sterndeuter aus dem Morgenland sagen. Das ist aber nicht die Vernus.
Es berührt mich, wie oft ich beleuchtete Sterne sehe in der Adventzeit. Versuchen Sie einmal für 10 Minuten nur all die Sterne zu zählen, die Sie auf dem Weg in die Stadt oder durch die Stadt in den Fenstern sehen. Ich schaffe es fast nicht, sie alle zu zählen. Jetzt habe ich in Frankfurt, meinem noch relativ neuen Heimatort, wieder eine Häuserfront als Gegenüber zu meinem Zimmer. In fast jedem Fenster mir gegenüber leuchtet ein Stern.
Eines meiner Lieblingslieder im Advent besingt den hellen Morgenstern. Es ist das Gedicht von Jochen Klepper (1903-1942) mit der Melodie von Johannes Petzold (1912-1985): „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern...“ (Gotteslob 220; Ev. Gesangbuch 16). Dieses Lied, das mich oft sehr anrührt, wenn wir es singen, hat mich auf den Morgenstern als Thema gebracht. Besonders die Zeile: „auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein…“, geht mir zu Herzen.
Jochen Klepper hat es in äußerst bedrängter Situation geschrieben. Er selbst war oft nachts voller Ängste um sich und seine Familie. Die Nazis wollten ihn zwingen, seine jüdische Frau und seine Tochter zu verlassen. Man merkt dem Lied noch diese Not an. Ihm blieb am Ende nur der gemeinsame Suizid, aber im Aufblick auf den Morgenstern hatte er Hoffnung über diesen Tod hinaus, oder wie er am Ende im Gedicht sagt: „Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem Gericht.“
Der Aufblick zu dem Morgenstern hat ihm Hoffnung jenseits aller Hoffnung gegeben. Der will und soll auch Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, in unserer bedrängten und notvollen Zeit Hoffnung schenken. Der Morgenstern bescheinet auch Ihre Not und Pein!
Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ
14. Dezember 2022
Als Text hänge ich Ihnen das Lied an. Hier können Sie es auch hören. Als Bild sehen Sie noch einmal die Venus am Morgenhimmel.

Foto: pcs34560
Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern!
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.
Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.
Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.
Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.
Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.