
Foto: European Southern Observatory - CC BY 4.0
Es reizt mich schon lange, etwas zum Schwarzen Loch zu schreiben, obwohl ich von Physik oder Astronomie herzlich wenig verstehe. Das Schwarze Loch reizt mich als Extremfall unserer Welt. Und da reizt es mich philosophisch und theologisch, nicht so sehr physikalisch und astronomisch. Das Schwarze Loch hat ja sehr viel von sich reden gemacht, als es am 10. April 2019 zum ersten Mal „fotografiert“ worden ist, obwohl das Schwarze Loch gar nicht fotografiert werden kann.
Denn das Schwarze Loch selbst ist unsichtbar, weil es alles Licht verschlingt und nicht mehr herauslässt. Sichtbar machen kann man nur die etwas weitere Umgebung des Loches, den so genannten Ereignishorizont. Der ist „fotografiert“, besser gesagt: gemessen, berechnet und in ein Bild übersetzt worden von einer ganzen Gemeinschaft von Astronomen und aus riesigen Massen von Computerdaten. Mit an führender Stelle dabei war Prof. Heino Falcke, ein deutscher Astronom. Er hat ein Buch darüber geschrieben, wie das Bild entstanden ist durch die intensive Zusammenarbeit von Experten rund um den Globus und von Radioteleskopen rund um die Welt. Eine ganz große organisatorische Leistung.
Das Schwarze Loch als Extremfall. Es ist gar kein Loch, sondern es ist eine extrem verdichtete Masse von Materie. Zusammengefallene und zusammengeschrumpelte Sterne, eine Art Sternenfriedhof. So sehr ist diese Masse verdichtet, dass die Gravitation oder Anziehungskraft so groß ist, dass die Masse alles, was in seine Nähe kommt, anzieht und verschlingt, verschluckt, auffrisst, in die Masse hineinzieht und sie dadurch immer noch vergrößert. Und das macht es auch mit dem Licht, das ihm nahekommt. Darum ist dieses „Loch“, besser diese unvorstellbar verdichtete Materiemasse unsichtbar.
Das Schwarze Loch als Extremfall. Es verdichtet nicht nur die Materie zur Unvorstellbarkeit. Es lässt auch die Zeit still stehen. Raum und Zeit sind ja aufeinander bezogen. Das sagt uns die Relativitätstheorie. Gravitation verlangsamt auch die Zeit. Je höher die Gravitation, um so verlangsamter die Zeit. Also fast unendlich langsam wie die Masse unendlich groß und kompakt. Fast die Aufhebung der Zeit. Oder tatsächlich ihre Aufhebung? Gilt im Schwarzen Loch die Physik noch? Oder reicht da noch unsere Physik? Heino Falcke meint, wir müssen vielleicht nochmal über die Einstein’sche Physik hinausdenken.
Das Schwarze Loch als Extremfall. Niemand kann in so ein schwarzes Loch hineinsehen. Ist das Schwarze Loch vielleicht schon ein Jenseits mitten im Diesseits? Oder ist das schon wieder viel zu schnell gedacht und gefolgert? Denn ein Extremfall hätte ja noch Platz innerhalb des Systems. Er läge eben nur an der Grenze. Er zeigt nur die Grenzen des Systems. Oder hebt sich die Welt mit ihren Gesetzen doch schon innerhalb unseres Universums selbst auf? Wenigstens im Inneren des Schwarzen Lochs? Also ein Loch im System, was gar nicht geht. Oder geht es doch? Sicher ist, dass das Schwarze Loch eine Grenze angibt, nein, nicht nur angibt, sondern sie selbst ist. Darum spricht man hier von „Singularität“, also einem Einzelfall oder Extremfall. Und kann die Verdichtung zu groß werden? Und was ist dann? Fliegt alles in einem Urknall auseinander? Ist das auch schon wieder zu schnell und zu weit gedacht.
Das Schwarze Loch als Extremfall. Noch etwas dazu. Das ist die Angst, die diese Anziehungskraft der Masse mir macht. Wird durch diese Anziehungskraft einmal alles darin verschwinden? Das ganze Universum? Das schwarze Loch, das da berechnet wurde, ist ja noch ziemlich weit weg: 55 Millionen Lichtjahre. Das ist wirklich weit weg. Was übrigens nach meinem Verständnis heißt, dass auch das Bild, das wir haben, nicht vom 10. April 2020 stammt, sondern auch 55 Millionen Jahre alt ist. Denn so alt ist das Licht, das wir von M87 (nicht) empfangen. Wer weiß also, wie es gerade aktuell dort „aussieht“? Aber das ist meine Angst: alles endet in einem Schwarzen Loch. Es gibt nämlich sehr viele solche Löcher, auch eines im Zentrum unserer Milchstraße.
Das Schwarze Loch als Extremfall. Für mich ist so ein Schwarzes Loch auch ein Symbol für das Böse, für den Extremfall eines Menschen, der durch und durch böse ist und das auch sein will. Alles Gute, alle Liebe, alles Schöne verschwindet in ihm. Es wird aufgesogen und zunichte gemacht. Und es kommt nichts Gutes wieder hervor. Er besteht nur aus einer quasi unstillbaren Saugkraft, die alles Lichte und Helle, alles Strahlende und Herrliche einsaugt und unsichtbar macht und verschwinden lässt. Furchtbar. Ich glaube, viele sehen das Schwarze Loch als ein solches Symbol des Bösen und des Todes und darum macht es auch Angst.
Übrigens ist Heino Falcke ein überzeugter Christ und hält als Prädikant der evangelischen Kirche auch Gottesdienste ab. Er schreibt in dem erwähnten Buch in einem eigenen Kapitel über Wissenschaft und Glauben. Und hier spricht er auch darüber.
Viele Grüße und wir glauben, dass das Licht stärker ist als die Finsternis
Thomas Gertler SJ
8. September 2021
Das Mosaik ist aus dem Dom von Pisa vom Beginn des 14. Jh und zeigt Jesus, den Pantokrator, der alles beherrscht, weil er auch in die äußerste Finsternis und Dunkelheit gegangen ist und daraus wieder herausgekommen ist. Er ist nun das Licht der Welt. Das steht als Text in dem Buch, das er in der Hand hält.
Johannes 8,12
Joh 8,12 Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.