Das kann ich alles nicht verstehen!

Blick in das Zentrum unserer Galaxy. Aufgenommen mit dem Radioteleskop MeerKAT des South African Radio Astronomy Observatory (SARAO).
Foto: I. Heywood, SARAO

Warum muss jetzt dieser Krieg sein? Das ist wohl die Frage, die sich jede und jeder täglich stellt und die sich nicht verstehen lässt. Und diese Frage splittert sich ja bei all den persönlich Betroffenen millionenfach auf. Warum? Warum ich? Warum so? Und das kann ich nicht verstehen. Unabweisbar diese Fragen. Sie stellen sich einfach und mit Zorn und Trauer. Sie müssen gestellt werden.

Sie finden aber erst mal keine Antwort. Falsch! Die bloße Warum-Frage findet schon eine Antwort, und diese Antwort ist sehr simpel: weil es Präsident Putin so entschieden und befohlen hat. Das ist die Frage nach dem Warum. Das ist die Frage nach der Ursache oder in Latein nach der causa oder der Kausalität. Aber das weiß ich ja. Verstehen will ich etwas anderes, nicht nur diese Ursache.

Es stellt sich also heraus, dass die Warum-Frage gar nicht unsere eigentliche Frage ist, sondern die Frage nach dem Sinn, oder die Frage nach dem Wozu. Wieder auf Latein. Die Frage nach dem finis: Ende, Ziel, Sinn. „Zu welchem Ende dient es?“, hätte man in früheren Zeiten sagen können. Es geht um die Finalität. Wozu dieser Krieg? Was soll das? Er ist doch so total überflüssig, unnötig, so total sinnlos und so total zerstörerisch. Wozu? Es zerreißt doch alles! Ich verstehe das alles nicht. Und hier gibt es erst einmal keine Antwort.

Denn die Frage nach dem Sinn schaut auf das Ganze und auch auf mich persönlich. Sinn fragt immer nach dem Zusammenhang. Und der ist jetzt zerrissen. Was hat das mit mir zu tun? Was geht es mich an und wie gehe ich damit um? Es ist also eine ganz persönliche Frage. Und die Suche nach Antwort kostet Seelenarbeit. Und es ist zugleich die Frage nach dem Ganzen. Nach dem Ganzen meines Lebens, aber auch nach dem Ganzen der Welt und so auch immer die Frage nach Gott. Wie steht es denn da? Genauso mühsame Geistes- und Seelenarbeit und neue Herausforderung.

Denn alle die durch die Sinnlosigkeitserfahrung zerrissenen Fäden müssen wieder geknüpft werden. Und ich entdecke dabei, wenn ich mich zum Beispiel in die Hilfe für die Flüchtlinge einbinden lasse, dass neue Fäden und Verbindungen und damit auch neuer Sinn entsteht. Das Böse bringt Gutes und Neues hervor. Dadurch wird das Böse nicht aufgehoben. Es bleibt böse und verbrecherisch. Aber doch entsteht neuer Sinn. Das ist der Beginn der Seelenarbeit und eine erste Frucht.

Und noch ein anderer Gedanke und eine andere Beobachtung gehören hierher. Erinnern Sie sich einmal an die eigene Kindheit und auch an Kinder, die Sie heute erleben. Die Kinder kommen in eine Welt, die sie zum größten Teil nicht verstehen. Bei dem meisten, was sie erleben, müssen sie das sagen: Das kann ich alles nicht verstehen. Darum fragen Kinder auch immerzu „Warum?“ Sie können einen damit nerven. Denn selbst wenn wir alles gesagt haben, fragen sie noch weiter „Warum?“ Sie wollen verstehen. Aber dennoch verstehen sie nicht. Sie müssen warten und lernen. Sie tun das mit viel Vertrauen. Auch wenn sie nicht verstehen, tun sie doch, was die Eltern sagen. Sie vertrauen ihnen.

Kinder leben mit ganz vielem Nichtverstehen. Sie können es dann auch einfach loslassen. Denn Leben funktioniert, auch wenn wir ganz vieles nicht verstehen. Und das ist ja auch bei uns Erwachsenen der Fall. Das einfachste Beispiel ist der eigene Körper. Wir wissen viel, sehr viel darüber. Das meiste aber wissen wir nicht. Es funktioniert aber. Und manchmal eben auch nicht richtig und nicht komplett. Das nun soll nicht einfach beruhigen oder die Frage nach dem Warum und dem Wozu stillstellen. Nein, wir dürfen fragen, müssen fragen, sollen fragen. Aber wir dürfen auch vertrauen. Vertrauen wie die Kinder, die uns Jesus als Vorbild hinstellt. Oder auch vertrauen wie Jesus, der mit seinen Jüngern geht, auch wenn er weiß, dass sie ihn jetzt nicht verstehen. Er vertraut, später werden sie verstehen und der Heilige Geist wird sie lehren.

Es grüßt Sie herzlich und wünscht so sehr, dass Friede werde
Thomas Gertler SJ

6. April 2020

Das erstaunt mich immer wieder, welches Vertrauen Jesus in uns hat. Auch wenn wir so vieles nicht verstehen und falsch verstehen, beruft er uns trotzdem und nimmt uns mit und lässt uns so viel mit ihm erleben, was uns erst mal zu hoch, zu tief, zu schwer ist. Aber mit der Zeit kommt es noch und klärt sich, erklärt sich und wird Licht. So auch bei der Fußwaschung, die wir bald wieder feiern. Da sagt es Jesus ausdrücklich zu Petrus.

Johannes 13,1 - 15

1 Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. 2 Es fand ein Mahl statt und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn auszuliefern. 3 Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, 4 stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. 5 Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. 6 Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? 7 Jesus sagte zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. 8 Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. 9 Da sagte Simon Petrus zu ihm: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt. 10 Jesus sagte zu ihm: Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. 11 Er wusste nämlich, wer ihn ausliefern würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein. 12 Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? 13 Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. 14 Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. 15 Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.