
Foto: Thomas Gertler
Dieses niedliche kleine Einhorn hat mir der Bischof geschenkt. Waaas? Nein, nein, das ist ein Scherz, natürlich nicht der Bischof, sondern eine kleine bayrische Freundin. Sie hat es selber gebastelt. Und ich finde, es ist nicht so zuckersüß und kitschig wie die meisten Einhörner, denen man auf Schritt und Tritt begegnet, nein, es hat durchaus etwas Kerniges, Bayrisches. Stimmt‘s?
Es gibt gerade einen richtiger Hype um das Einhorn, wie man auf neudeutsch sagt. Ein Verkaufsschlager sondergleichen. Ritter-Sports Sonderedition mit dem Einhorn quadratisch-magisch-gut, war mit seinen 150 000 Exemplaren an einem Tag ausverkauft und hat den Online-Shop zusammen brechen lassen. Ich hab keins mehr bekommen – also ich muss zugeben, ich hatte nicht einmal davon gehört. Wie es wohl den Käuferinnen und Käufern ging? Lecker? Oder steht die Schokolade jetzt als Sammlerstück im Schrank?
Rätselhaft, wie so ein plötzlicher Hype entsteht. Alle und jede will ein Einhorn haben. Auf dem T-Shirt, als Handy-Hülle, als Tagebuch, als Taschentuch, als Katzenfutter oder Badeseife. Und die sogenannten Trendforscher machen sich auf die Socken. Es sei die Sehnsucht nach der Magie, nach dem Märchenhaften und dem, was unsere Alltagswelt verlässt. Sehnsucht nach dem Einmaligen, dem in der Natur schon nicht mehr Vorkommenden, weil es ausgerottet wurde. Aber vielleicht gibt es ja doch noch irgendwo ein Einhorn. Das würde ich so gern haben.
Besonders die jungen Damen sind begeistert davon. Rosa oder Pink muss es sein und glitzern wie Sternenstaub. Natürlich machen sich schon viele darüber lustig.
Und es gibt schon Einhorn Liebeskummerpillen und Einhorn-Pups-Raumduft. Schnell noch aufspringen auf den Hype, ehe er wieder verduftet.
Was die vielen Artikel in den Zeitungen usw. kaum schreiben, ist, dass die Einhorn-Sage uralt ist. Sie hat indische Wurzeln - meint dort vermutlich das indische Panzernashorn - so kommt das Einhorn auch in die Welt der Bibel und findet sich in Luthers Bibelübersetzung, allerdings nicht mehr in der renovierten Fassung. Und im berühmten Buch „Physiologus“, das man als Brehms Tierleben des frühen Christentums bezeichnen könnte, gibt es eine wunderbare Einhorngeschichte. Das Einhorn ist dort ein sehr wildes, starkes, ja, unzähmbares Tier. Nur eine Jungfrau kann es fangen. Ihr legt es den Kopf in den Schoß. Ganz klar, dass das auf Christus und Maria gedeutet wurde.
So gibt es viele Bilder im Mittelalter, auf dem Maria mit dem Einhorn dargestellt ist. Im Erfurter Dom können Sie dieses Bild bewundern:
Zu Maria in ihrem geschlossenen Garten hat sich das Einhorn geflüchtet. Sie krault es am Kinn. Der Engel Gabriel bläst das Horn. Es ist zugleich der Moment der Verkündigung und der Menschwerdung. Oben links von der Mitte sendet der Vater den Sohn herab zu Maria.
Plötzlich bekommt das Einhorn nun einen ganz religiösen Hintergrund. Und in der Sehnsucht nach dem Magischen, Einmaligen, Schönen, Edlen und Heilen, die sich in all den verkitschten Figuren kundtun, ist ganz versteckt auch eine religiöse Seite zu erkennen und gewinnt an Tiefe, wenn man die Geschichte des Einhorns ein wenig kennt.
Passt doch? Oder?
Sie, liebe Leserinnen und Leser, dürfen jedenfalls bei der nächsten Begegnung mit dem Einhorn an die Menschwerdung denken und vielleicht ein Stoßgebet beten.
Viele Grüße
Thomas Gertler SJ
18. April 2018
Hier nun das Kapitel aus der Bibel, in dem bei Luther das Einhorn vorkommt. Es ist ein Teil der Antwort Gottes an Hiob auf seine Anklage gegen Gott. Gott weist hin auf die Größe und Erhabenheit seiner Schöpfung und seiner Geschöpfe. Und dabei ist auch das Einhorn. Vermutlich wie gesagt das indische Panzernashorn…
Hiob - Kapitel 39
1 Weissestu die zeit / wenn die Gemsen auff den felsen gebären? Oder hastu gemerckt / wenn die Hirschen schwanger gehen? 2Hastu erzelet jre monden / wenn sie voll werden / oder weissestu die zeit wenn sie gebären? 3 Sie beugen sich wenn sie gebären / vnd reissen sich vnd lassen aus jre Jungen. 4 Jre Jungen werden feist vnd mehren sich im Getreide / vnd gehen aus / vnd komen nicht wider zu jnen. (Psal. 147). 5 WER hat das Wild so frey lassen gehen? wer hat die bande des Wilds auffgelöset? 6Dem ich das feld zum Hause gegeben habe / vnd die wüste zur Wonung. 7 Es verlacht das getümel der Stad / das pochen des Treibers höret es nicht. 8 Es schawet nach den Bergen da seine weide ist / vnd sucht wo es grüne ist. 9 MEinstu das Einhorn werde dir dienen / vnd werde bleiben an deiner krippen? 10Kanstu jm dein joch anknüpffen die furchen zu machen / das es hinter dir broche in gründen? 11 Magstu dich auff es verlassen / das es so starck ist? vnd wirst es dir lassen arbeiten? 12Magstu jm trawen das es deinen samen dir widerbringe / vnd in deine Scheune samle? 13 Die feddern des Pfawen sind schöner denn die flügel vnd feddern des Storcks. 14 Der seine eyer auff der Erden lesst / vnd lesst sie die heissen erden ausbrüen. 15 Er vergisset / das sie möchten zutretten werden / vnd ein wild Thier sie zubreche. 16 Er wird so hart gegen seine Jungen / als weren sie nicht sein / Achtets nicht / das er vmb sonst erbeitet. 17 Denn Gott hat jm die weisheit genomen / vnd hat jm keinen verstand mitgeteilet. 18 Zur zeit wenn er hoch feret / erhöhet er sich / vnd verlacht beide Ross vnd Man. 19 KAnstu dem Ross krefft geben / Oder seinen hals zieren mit seinem geschrey? 20 Kanstu es schrecken wie die Hewschrecken? Es ist nur deste trötziger vnd mutiger / vnd schnaubet als rhümet sichs / wo schrecklich ding / als streit vnd krieg fur handen ist. seiner nasen / was schrecklich ist. 21 Es strampffet auff den boden / vnd ist freidig mit krafft / vnd zeucht aus den Geharnischten entgegen. 22 Es spottet der furcht vnd erschrickt nicht / vnd fleucht fur dem schwert nicht. 23 Wenn gleich wider es klingt der Köcher / vnd glentzet beide spies vnd lantzen. 24 Es zittert vnd tobet vnd scharret in die erde / vnd achtet nichtDas ist / Es thut als sey jm nichts drumb / das doch so schrecklich ist. der drometen halle. 25 Wenn die dromete fast klingt / spricht es / Hui / vnd reucht den Streit von ferne / das schreien der Fürsten vnd jauchzen. 26 Fleuget der Habicht durch deinen verstand / vnd breitet seine flügel gegen mittag? 27 Fleuget der Adeler aus deinem befelh so hoch / das er sein nehst in der höhe macht? 28 Jn felsen wonet er / vnd bleibt auff den kipffen an felsen vnd in festen orten. 29 Von dannen schawet er nach der speise / vnd seine augen sehen ferne.