Das Antlitz der Liebe

Foto: Incase - CC BY 2.0

Natürlich wäre bei dieser Überschrift das Antlitz Jesu oder Marias zu erwarten. Doch das ist das Bild einer Schauspielerin namens Susan Sarandon, warum ihr Bild, das schreibe ich weiter unten. Es könnte hier aber auch das Bild eingefügt werden beispielsweise Ihres Lieblingsmenschen, Ihres Vaters oder Ihrer Mutter oder Ihrer Kinder. Eben Ihr persönliches Antlitz der Liebe. Welches ist denn überhaupt Ihr Antlitz der Liebe? Gibt es nur eins oder mehrere?

Dieses Antlitz zu erinnern, es gegenwärtig werden zu lassen, dazu lade ich Sie heute ein. Denn dass wir überhaupt eine Ahnung haben, was Liebe ist, das verdanken wir dem Antlitz der Liebe, das sich zumeist als Antlitz der Mutter und des Vaters uns zugeneigt und uns voll Liebe angelächelt und angelacht hat. Erinnern wir uns also zuerst unserer Eltern und ihres Angesichts, ihres liebenden Angesichts. Selbst wenn es manchmal verdüstert war, fast alle von uns haben es erfahren. Gott sei Dank!

Und als nächstes können wir uns der Kinder erinnern. Am besten der eigenen, aber auch anderer Kinder und können vor uns stellen deren liebende und liebenswerte Gesichter. So voller Liebe und so voller Sehnsucht nach Liebe. So ein Kinderantlitz ruft wie von selbst in uns die Liebe hervor. Aber seien Sie konkret: stellen Sie ein bestimmtes Gesicht, ein Antlitz der Liebe vor sich und betrachten Sie es. Meine Nichte ist gerade Mutter geworden und hat ein Bild geschickt. Das schaue ich jetzt an. Und danken Sie und bitten Sie!

Und jetzt natürlich wie schon gesagt: das Antlitz Ihres Lieblingsmenschen, Ihres Ehepartners, Ihres Lebenspartners. Haben Sie Bilder, die Sie in sich oder bei sich tragen? Schauen Sie darauf! Erneuern Sie die Liebe, vertiefen Sie die Liebe. Danken Sie Gott und beten Sie für sie oder ihn.

Als nächstes lade ich Sie ein zu betrachten, für wen Sie selbst so ein Antlitz der Liebe sind. Gar nicht so leicht, das anzuschauen. Oft glauben wir unserer eigenen Liebe nicht. Aus vielen guten Gründen. Aber dennoch, es gibt Menschen, für die Sie – ja Sie! - dieses Antlitz der Liebe sind. Wer ist es? Wer könnte es sein? Wer sollte es vielleicht sein?

Nun machen wir einen Sprung, aber doch näher zum Antlitz der Liebe.

Kennen Sie den Film: „Dead Man Walking“? Darin spielt Susan Sarandon (Bild oben) die Ordensschwester Helen. Sie ist Gefängnisseelsorgerin und bemüht sich um einen zum Tode Verurteilten namens Matthew Poncelet, gespielt von Sean Penn. Matthew leugnet seine Schuld. Er ist äußerst schwierig und ablehnend. Er provoziert Sr. Helen. Es ist fast nicht auszuhalten. Sie aber hält aus und hält ihm stand und konfrontiert ihn auch mit der Wahrheit. Sie bleibt bei ihm. Hart und tief erschütternd im Film zu erleben.

Durch Ihre Kraft und Liebe, trotz allem bei ihm zu bleiben, kann er schließlich seine Wahrheit sagen und damit auch den letzten Grund für sein furchtbaresVerbrechen nennen – gerade an einem Liebespaar: “You know I've never known real love, never loved women or anybody all that well myself. Figures I'd have to go to my death to find love” „Du weißt, ich habe nie echte Liebe gekannt, nie eine Frau geliebt oder überhaupt jemanden, genauso wenig mich selbst. Es ist typisch, ich hatte bis zu meinem Tod zu gehen, um Liebe zu finden.“

Schwester Helen sagt ihm: “I want the last face you see in this world to be the face of love, so you look at me when they do this thing. I'll be the face of love for you.” “Ich möchte, dass das letzte Gesicht, das du in dieser Welt siehst, das Antlitz der Liebe ist, also schau zu mir, wenn sie es vollziehen. Ich werde für dich das Antlitz der Liebe sein.“

Schauen wir auf unser Antlitz der Liebe, damit wir es für andere zu sein vermögen.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

6. Februar 2019

Der letzte Sinn von allem sind weder Arbeit, noch Besitz, noch Erfolg oder Macht, der letzte Sinn von allem ist die Liebe. Und das ist kein frommes Wort. Es ist die Wahrheit. Das schreibt uns Paulus in seinem wohl schönsten Text, dem Hohen Lied der Liebe im 1. Korintherbrief. Das soll leuchten über unserem Leben wie die Sonne und strahlen wie Gottes Antlitz der Liebe im aaronitischen Segen im 4. Buch Mose oder Numeri (Num 6,22-27).

Foto: Rabanus Flavus - CC0 1.0

 

1 Kor 13,1 - 13

13, 1 Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts. 3 Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib opferte, um mich zu rühmen, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts. 4 Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. 5 Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. 6 Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. 7 Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. 8 Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht. 9 Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; 10 wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk. 11 Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war. 12 Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin. 13 Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.