Bitter, bitter, verbittert

Foto: Shuem Hongai - CC BY-SA 4.0

Kennen Sie Menschen, die verbittert sind? Verbitterung ist die Folge einer Enttäuschung, eines unverschuldeten Unglücks oder einer heftigen Ungerechtigkeit. Jemand ist zum Beispiel entlassen worden, obwohl er sich für den Betrieb überdurchschnittlich eingesetzt hatte. Das war sehr ungerecht, verletzend und verbitternd! Das ist ganz vielen so ergangen nach 1989 im Osten Deutschlands, wo viele Betriebe abgewickelt wurden. Was man sich nie vorstellen konnte: Arbeitslosigkeit und keine Aussicht auf etwas Neues, denn wie viele von den Betroffenen waren schon oder fast 50 Jahre alt.

Es kann auch eine Erfahrung innerhalb der Familie sein. Jemand erzählt mir: Mein Mann hat es erreicht, die Kinder zugesprochen zu bekommen. Ich sehe sie kaum noch. Er hatte halt die größere juristische Erfahrung und die besseren Beziehungen und hat mich ausgetrickst. Das macht mich total bitter. Ich komme darüber nicht hinweg. Es geht mir immer durch und durch, besonders nachts, obwohl oder gerade weil ich völlig unschuldig bin. Es wühlt und wühlt in mir. So ein Unrecht!

Der verbitterte Mensch erfährt sich selbst als unschuldig am Geschehen. Es ist ihm passiert. Man hat es ihm zugefügt. Er ist das Opfer. Er kann gar nichts dafür. Das macht es ja so bitter. Es entsteht eine Mischung aus Wut, Ohnmacht, Rachegefühlen und Selbstzerstörung. Und das macht auch Hilfe sehr schwer, denn man sieht sich nicht als krank oder der Hilfe bedürftig, sondern als Opfer der Gemeinheit und Bosheit anderer. Und die Betroffenen haben recht. Es ist so. Unrecht ist geschehen und sie sind nicht selbst schuld daran.

Aber das merkt andererseits jeder Verbitterte, dass ihn die Bitterkeit immer bitterer macht. Dass es für sein eigenes Seelenleben ausgesprochen schlimm ist, so bitter zu sein. Dass es gut wäre, die Bitterkeit loszuwerden. Denn der Geschmack am Leben geht verloren. Denn es ist immer nur das eine Unrecht, das eine unverdiente Unglück, um das das Leben kreist. Es macht einfach keinen Spaß mehr. Es ist aber erstmal nicht möglich das, was geschehen ist, los zu werden.

Nein, dass es geschehen ist und dass es ein Unrecht war. Dass ich nichts dafür konnte, dass es mir einfach zugefügt wurde, das ist so und das darf ich ruhig sagen und mir bewusst machen. Ja, Unrecht ist geschehen. Erster Punkt. Es lässt sich nicht rückgängig machen. Ja, das stimmt. Zweiter Punkt. Das es aber meine Einstellung zum Leben von nun an vollständig prägen muss, das ist kein Muss. Dass ich hier frei bin und mich umstellen kann, kann ich einüben. Das ist so. Dritter Punkt. Ich kann es auch loslassen. Ich kann es auch relativieren. Ich kann versuchen zu vergeben, wenn es etwas zu vergeben gibt.

Also erster Schritt aus der Bitterkeit hinaus: Mein Leben ist mehr als die Folge dieses Unrechts und dieses Unglücks. Ich muss mich nicht völlig davon bestimmen lassen. Dass ich immer darum kreise, ist nicht notwendig und unabdingbar. Ich bin ein Opfer. Das ist wahr, aber ich bin nicht nur ein Opfer. Mein Leben ist nicht völlig davon abhängig. Mein Leben ist größer und ist mehr. Ich kann auch selbst über mein Leben bestimmen. Ich kann auch darüber bestimmen, ob mich weiter dieses Unrecht oder Unglück so sehr bestimmt, dass es den Geschmack des Lebens nur noch bitter und immer bitterer macht.

Es ist also eine Einübung in Freiheit und innere Unabhängigkeit als erstes. Dass ich erkenne, anerkenne und einübe, dass mein Leben nicht von diesem unglücklichen Ereignis bestimmt wird und dass mein Leben darüber hinaus geht. Damit übe ich auch so etwas wie Distanz zu dem Ereignis ein. Ich gewinne Abstand und Freiheit. Helfen kann dabei das Aussprechen und Benennen und die bewusste Suche nach Lebensmöglichkeit darüber hinaus.

Das können wir schon von der Hanna des Alten Testamentes lernen, die ihre Verbitterung wegen ihrer Kinderlosigkeit und wegen der Verachtung der anderen vor Gott heftig ausspricht und die dann auch Hilfe erfährt.

Es sind viele Erfahrungen der Weisheit, die helfen aus der Verbitterung herauszufinden. Man spricht darum heute von „Weisheitstherapie“. Davon vielleicht in einem anderen Impuls mehr.

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

21. September 2022

Hanna erlebt eine Zeit der Bitterkeit und ist in Gefahr verbittert zu werden. Sie bringt das alles mit all dem Schmerz und der Bitterkeit vor Gott. Und Gott hilft ihr und erhört ihr Gebet. Ihr später Sohn Samuel wird ein bedeutender Prophet in Israel. Er salbt später David zum König.

Auf dem Bild ist die betende Hanna zu sehen. Ihr Danklied an Gott ist Vorbild für Marias Danklied, für das Magnifikat.

1. Samuel 1,1 - 20

1 Einst lebte ein Mann aus Ramatajim, ein Zufiter vom Gebirge Efraim. Er hieß Elkana und war ein Sohn Jerohams, des Sohnes Elihus, des Sohnes Tohus, des Sohnes Zufs, ein Efraimiter. 2 Er hatte zwei Frauen. Die eine hieß Hanna, die andere Peninna. Peninna hatte Kinder, Hanna aber hatte keine Kinder. 3 Dieser Mann zog Jahr für Jahr von seiner Stadt hinauf, um den HERRN der Heerscharen in Schilo anzubeten und ihm zu opfern. Dort waren Hofni und Pinhas, die beiden Söhne Elis, Priester des HERRN. 4 An dem Tag, an dem Elkana das Opfer darbrachte, gab er seiner Frau Peninna und all ihren Söhnen und Töchtern ihre Anteile. 5 Hanna aber gab er einen doppelten Anteil; denn er hatte Hanna lieb, obwohl der HERR ihren Schoß verschlossen hatte. 6 Ihre Rivalin aber kränkte und demütigte sie sehr, weil der HERR ihren Schoß verschlossen hatte. 7 So machte es Elkana Jahr für Jahr. Sooft sie zum Haus des HERRN hinaufzogen, kränkte Peninna sie; und Hanna weinte und aß nichts. 8 Ihr Mann Elkana fragte sie: Hanna, warum weinst du, warum isst du nichts, warum ist dein Herz betrübt? Bin ich dir nicht viel mehr wert als zehn Söhne? 9 Nachdem man in Schilo gegessen und getrunken hatte, stand Hanna auf. Der Priester Eli saß an den Türpfosten des Tempels des HERRN auf seinem Stuhl. 10 Hanna war verzweifelt, betete zum HERRN und weinte sehr. 11 Sie machte ein Gelübde und sagte: HERR der Heerscharen, wenn du das Elend deiner Magd wirklich ansiehst, wenn du an mich denkst und deine Magd nicht vergisst und deiner Magd einen männlichen Nachkommen schenkst, dann will ich ihn für sein ganzes Leben dem HERRN überlassen; kein Schermesser soll an sein Haupt kommen. 12 So betete sie lange vor dem HERRN. Eli beobachtete ihren Mund; 13 denn Hanna redete in ihrem Herzen, ihre Lippen bewegten sich, doch ihre Stimme war nicht zu hören. Eli hielt sie deshalb für betrunken 14 und sagte zu ihr: Wie lange willst du dich noch wie eine Betrunkene aufführen? Sieh zu, dass du deinen Weinrausch los wirst! 15 Hanna gab zur Antwort: Nein, Herr! Ich bin eine unglückliche Frau. Ich habe weder Wein getrunken noch Bier; ich habe nur dem HERRN mein Herz ausgeschüttet. 16 Halte deine Magd nicht für eine nichtsnutzige Frau; denn nur aus großem Kummer und aus Traurigkeit habe ich so lange geredet. 17 Eli erwiderte und sagte: Geh in Frieden! Der Gott Israels wird dir die Bitte erfüllen, die du an ihn gerichtet hast. 18 Sie sagte: Möge deine Magd Gnade finden vor deinen Augen. Dann ging sie weg; sie aß wieder und hatte kein trauriges Gesicht mehr. 19 Am nächsten Morgen standen sie früh auf und beteten den HERRN an. Dann machten sie sich auf den Heimweg und kehrten in ihr Haus nach Rama zurück. Elkana erkannte seine Frau Hanna; der HERR dachte an sie 20 und um die Jahreswende wurde Hanna schwanger. Sie gebar einen Sohn und nannte ihn Samuel, denn sie sagte: Ich habe ihn vom HERRN erbeten.