Bitte eintreten!

Foto: Marlies Fricke

In der Sofaritze eine letzte trockene Tannennadel. Nun ist sie endgültig vorbei, die Weihnachtszeit. Heute werden in den Kathedralen und Kirchen die letzten Krippen abgebaut, vierzig Tage nach der Geburt Jesu. Noch einmal lenkt die „Darstellung des Herrn“ den Blick auf den Säugling, wie er nach jüdischem Brauch in den Tempel gebracht und Gott geweiht wird. Der „Dezember-Psalm“ von Hanns Dieter Hüsch ist mir auch am 2. Februar noch ein liebenswertes Gebet:

Pfarrbriefservice © Friedbert Simon

Kleiner Herr
der du gekommen bist im Elend
wir bauen auf dich und deine Zukunft
und schenken dir
unser ganzes Vertrauen

Wir warten auf dich
bis du groß und allmächtig bist
alle Welt übersiehst
und überall die Liebe
als Statthalter einsetzt
damit das Kommende
für uns ertragbar wird
und das Jahrhundert
keine Schreckenskammer

Kleiner Herr
ich wünsche mir
eine Welt der Stille
mit einer sanften Gesellschaft
die zufrieden und glücklich
Anfang und Ende lebt

 

Die Ostkirche nennt das heutige Fest „Einzug Jesu in den Tempel“. – Wenn aber nun wir selbst dieser Tempel sind? „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1Kor 3,16) - Wie kann Gott dann immer mehr in unser Herz einziehen, in unser Leben, unseren Alltag? Warten wir auf Ihn, so wie der greise Simeon Ihn erwartet hat? Rechnen wir ernsthaft mit Ihm in unseren Grenzen und Stärken? Öffnen wir Ihm? Öffnen wir uns - allein und miteinander - in Krisen, Unfrieden, Schuld und Zerrissenheit? Ganz persönlich, in der Kirche, in der Welt?

„Wo wohnt Gott?“ fragte ein Rabbi einige Gelehrte, die bei ihm zu Gast waren. Sie lachten über ihn: „Wie redet Ihr! Ist doch die Welt seiner Herrlichkeit voll!“ Der Rabbi aber beantworte seine eigene Frage: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt.“

An meiner Wohnungstür hängt eine Kachel aus Assisi mit dem franziskanischen Segensgruß „Pax et Bonum“, auf Italienisch „Pace e Bene“. Ein kleines Glaubens- und Hoffnungszeichen. Vielleicht ein immerwährendes Stoßgebet um Frieden und Gutes, für mich, für die Welt? Vielleicht ein täglicher Aufruf, selber friedfertiger und gütiger zu sein …? Im Vorbeigehen nehme ich die drei Wörter kaum noch wahr. Aber wenn Gäste kommen oder gehen, bin ich darüber schon oft ins Gespräch gekommen.

Manchmal können es solche kleinen Zeichen und Rituale sein wie ein Segenswort oder ein Wandkreuz, ein Tisch- oder Abendgebet, eine bewusst platzierte Bibel oder Kerze. Sie lassen uns aufmerksam bleiben für Gottes Gegenwart. Als ein schönes Beispiel habe ich gelesen, dass während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) vor jeder Sitzung im Petersdom ein kostbares Evangeliar feierlich inthronisiert wurde. Das Evangelium als Fundament und Mittelpunkt zwischen all den Tagesordnungspunkten und Arbeitspapieren!
Oder ein Bekannter hat mir erzählt, dass er in Zeiten von Verzagtheit oft in seine biografische Schatzkiste schaut, in der er auch seine Taufurkunde aufbewahrt. Das gebe ihm Kraft und Halt. Ist das nicht eine wunderbare Form, am „Tag des geweihten Lebens“, den die Kirche heute ebenfalls begeht, sich auf die Quelle und das ganz persönliche Glaubensfundament zu besinnen?

Über Zeichen und Rituale hinaus kann Gott noch tiefer bei uns einziehen, wenn wir innerlich Hörende werden, vornehmlich beim Lesen und Betrachten der Heiligen Schrift und im persönlichen Gebet. „Beten heißt nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt, still werden und still sein und warten, bis der Betende Gott hört“ (Dag Hammarskjöld). – Beten heißt also zuerst, sich einen ruhigen Platz suchen, äußerlich und innerlich still werden, um Gottes Anklopfen zu hören: „Ich stehe an der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und mir öffnet, bei dem werde ich eintreten“ (Offenbarung 3,20).

Simeon hat auf die Stimme Gottes gehört und ließ sich „vom Geist in den Tempel“ führen. Die Erfüllung seiner Sehnsucht, noch zu Lebzeiten Christus schauen zu dürfen, ist für uns festgehalten; diese Stunde im Jerusalemer Tempel reicht bis an die Enden der Erde. Bis heute gehört der Lobgesang des Greisen mit dem Säugling im Arm allabendlich zum Gebet der Kirche. Ein Herzstück der christlichen Liturgie:

„Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, …“ Wer so dankbar und im Frieden scheiden kann - am Ende eines Tages oder am Ende seines Lebens -, der hat Gott wahrlich tief eintreten lassen in seine Seele.

Öffnen wir Gott unsere Türen, unsere Ohren und unsere Herzen, damit auch das noch junge Jahr 2022 ein Gnadenjahr des Herrn (Jes 61,2) werde. Mögen Frieden und Güte in reichem Maß einziehen. Pax et Bonum!

Herzlich grüßt Sie
Marlies Fricke (GCL)

02. Februar 2022

Die Taube ist von je her ein Symbol für den Frieden. In der Bibel gilt sie aber auch als Opfertier, das beim Einzug Jesu in den Tempel eine unscheinbare Nebenrolle spielt. Die beiden Tauben deuten schon auf den Auftrag des Gottessohnes hin, sein Leben hinzugeben für das Heil der Welt.

Lukas-Evangelium 2,22-33

22 Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, 23 wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden. 24 Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. 25 Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. 26 Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe. 27 Er wurde vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, 28 nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: 29 Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, / wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. 30 Denn meine Augen haben das Heil gesehen, / 31 das du vor allen Völkern bereitet hast, 32 ein Licht, das die Heiden erleuchtet, / und Herrlichkeit für dein Volk Israel. 33 Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden.