
In einer Umkleidekabine.
Foto: Marlies Fricke
Schutzmaske hin oder her, ich wollte die Saison nicht verstreichen lassen, ohne mir ein neues Sommerkleid zu kaufen. In der Kabine war vor meiner verhüllten Nase in großen Lettern ein Satz angebracht: „If you never try you’ll never know. - Wenn du es nie probierst, wirst du es nie wissen.“ Eine clevere Art, die Kundin zum Ausprobieren neuer Farben oder eines neuen Stils zu ermutigen. Warum auch nicht.
„Wenn du es nie probierst,…“
Aber woher wussten die, dass ich zu Hause gerade zum ersten Mal probiert hatte, Erdbeermarmelade zu kochen? Etwas von der Köstlichkeit ist zwar beim Überkochen auf den Herd geflossen, aber die zwölf Gläschen in meinem Küchenregal sind nun mein ganzer Stolz! „If you never try …“, oder: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
Hätte Christoph Kolumbus nicht einen neuen Seeweg nach Indien ausprobiert; hätten Forschende wie Edison, Röntgen, Curie oder Koch nicht beharrlich weitergemacht; hätte eine Ruth Pfau nicht versucht, der Lepra beizukommen; hätte Astrid Lindgren nicht ihre Pippi einem Verlag angeboten; würden Seenotretter auf dem Mittelmeer gegen Widerstände nicht immer wieder versuchen,..., die Welt wäre wohl um vieles, vieles ärmer!
Es gibt unterschiedliche Arten von Versuchen. Da sind solche, die auf ein kurzfristiges Daumen-hoch oder -runter zielen, etwa wenn jemand ein anderes Fitness-Studio ausprobiert oder eine Probefahrt mit einem Auto macht. Andere Versuche gehen erstmal ins Ungewisse: „Wird die Corona-App wirklich helfen, die Pandemie einzugrenzen?“ Versuche können auch experimentell sein, indem ein Projekt gestartet und nach einer Zeit daraufhin ausgewertet wird, ob die Richtung stimmt, wie Aufwand und Ertrag im Verhältnis zueinander stehen. Ob ich im nächsten April wieder meine Ringelblumen und Tagetes selber vorziehe, um sie nach der „kalten Sophie“ ins Freiland zu setzen, werde ich im Winter entscheiden, wenn ich die Mühen und Freuden des Gärtnerns in Ruhe gegeneinander abgewogen habe. Es war ja nur erstmal ein Experiment.
Versuchen und Ausprobieren kann das eigene kleine Leben oder die Welt bewegen, verändern und bereichern. - Kennen Sie auch aus Ihrem Alltag oder Umfeld solche Versuche und Experimente? Unser Lebensweg ist ja prozesshaft und hält uns zu ständigem Lernen und Ausprobieren an. Was passt zu mir? Was ist stimmig? Was ist jetzt dran? Wie werde ich geführt, gelockt – auch durch Gott? Nur lernend, damit manchmal auch scheiternd, können wir uns weiterentwickeln, unsere Identität mehr herausfinden und vertiefen.

Ignatius von Loyola
1491 - 1552
Das hat auch Ignatius von Loyola auf seinem Bekehrungs- und Glaubensweg erfahren. Zwei Anläufe hat er unternommen, um sich im Heiligen Land niederzulassen, weil er meinte, Gottes Willen darin zu erkennen. Beim ersten Mal, mit 32 Jahren, kam er mit einer Pilgergruppe nach Jerusalem und wähnte sich - noch in der Euphorie seiner Bekehrung auf dem Krankenlager zwei Jahre zuvor - am Ziel seiner Träume: im Land des Herrn missionarisch und karitativ tätig sein zu können.
Die Abweisung durch die Franziskaner aus politischen Gründen traf den skrupulös-eifernden Basken schwer; konnte er doch noch nicht erkennen, dass dieser Versuch scheitern musste um seines inneren Wachstums willen. Zerknirscht reiste er zurück nach Europa.
Vierzehn Jahre später, 1537, Venedig: Ignatius sieht im Kreis seiner ersten Gefährten einer Überfahrt ins Heilige Land entgegen, eine päpstliche Erlaubnis im Gepäck. Als das erwartete Schiff nicht kommt, gibt die Gruppe sich eine Wartezeit von einem Jahr, während als Plan B beschlossen wird, nach Rom zu gehen und sich als Gemeinschaft dem Papst zur Verfügung zu stellen. Diesen erneuten Versuch des Pilgers, ins Heilige Land überzusiedeln, prägen Gelassenheit und Indifferenz statt ehrgeizig-frommer Eigensinn. Mittlerweile lebt Ignatius aus der Freiheit, zu hören, was Gott meint, wie es einmal jemand formuliert hat.
Aus Ignatius‘ „Jerusalem“ wurde für den Rest seines Lebens und Wirkens Rom. „Gott sieht und weiß, was am besten für uns passt“, so schreibt er später einmal. „Und da er alles weiß, zeigt er uns den Weg, dem wir folgen sollen. Um den Weg aber zu finden, müssen wir mit Gottes Gnade viel suchen und mehrere Wege probieren, bevor wir den gehen, der sich klar als der unsrige erweist.“
„If you never try you’ll never know.“ – Gibt es etwas, das Sie gerne einmal ausprobieren möchten? Worauf Sie einfach Lust hätten oder womit Sie sich ernsthaft in eine neue Richtung vortasten möchten? Vielleicht bietet die Ferienzeit ja eine Möglichkeit, das eine oder andere auszuprobieren? Neues zu versuchen? Sie dürfen wie Ignatius auch Gott fragen, was er dazu meint; auf jeden Fall meint es gut mit Ihnen! Ich wünsche Ihnen dazu frohen Mut und grüße Sie herzlich
Marlies Fricke (GCL)
Man mag phantasieren, wie sie wohl ausgesehen hat, die „Sünderin“ aus der Stadt, die sich ungeladen bis zu Jesus vorgewagt hat. Sie musste es einfach probieren und hat dafür einiges riskiert. Jesus, der sie gewähren lässt, beschämt damit den Gastgeber.

Ferdinand Hodler, Tänzerin, 1910
Lukasevangelium 7,36–50
36 Einer der Pharisäer hatte ihn zum Essen eingeladen. Und er ging in das Haus des Pharisäers und begab sich zu Tisch. 37 Und siehe, eine Frau, die in der Stadt lebte, eine Sünderin, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers zu Tisch war; da kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl 38 und trat von hinten an ihn heran zu seinen Füßen. Dabei weinte sie und begann mit ihren Tränen seine Füße zu benetzen. Sie trocknete seine Füße mit den Haaren ihres Hauptes, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. 39 Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, sagte er zu sich selbst: Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, die ihn berührt: dass sie eine Sünderin ist. 40 Da antwortete ihm Jesus und sagte: Simon, ich möchte dir etwas sagen. Er erwiderte: Sprich, Meister! 41 Ein Geldverleiher hatte zwei Schuldner; der eine war ihm fünfhundert Denare schuldig, der andere fünfzig. 42 Als sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten, schenkte er sie beiden. Wer von ihnen wird ihn nun mehr lieben? 43 Simon antwortete: Ich nehme an, der, dem er mehr geschenkt hat. Jesus sagte zu ihm: Du hast recht geurteilt. 44 Dann wandte er sich der Frau zu und sagte zu Simon: Siehst du diese Frau? Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser für die Füße gegeben; sie aber hat meine Füße mit ihren Tränen benetzt und sie mit ihren Haaren abgetrocknet. 45 Du hast mir keinen Kuss gegeben; sie aber hat, seit ich hier bin, unaufhörlich meine Füße geküsst. 46 Du hast mir nicht das Haupt mit Öl gesalbt; sie aber hat mit Balsam meine Füße gesalbt. 47 Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der liebt wenig. 48 Dann sagte er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben. 49 Da begannen die anderen Gäste bei sich selbst zu sagen: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt? 50 Er aber sagte zu der Frau: Dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!