
Foto: A. Hubl
Diese Rose von Jericho habe ich geschenkt bekommen. Eine völlig vertrocknete, in sich zusammen gerollte Pflanze. So eingetrocknet und tot, wie etwas nur sein kann. Man hat direkt Angst, sie zerbricht und zerfällt einem in den Händen. Legt man sie aber ins Wasser, so entrollt sie sich innerhalb von wenigen Stunden und wird grün. Beim Vorgang des Entfaltens kann man zusehen. Es ist wie ein Wunder.
In der Messe der Heiligen Nacht haben wir zu Beginn die Pflanze im vertrockneten, zusammengezogenen Zustand in eine Schale gelegt und aufgestellt. Dann vor aller Augen etwas Wasser hinzugegeben. Am Ende des Gottesdienstes hatte sie sich vor unser aller Augen entfaltet und war grün geworden. Symbol des neuen Lebens. Symbol des Neubeginns. Symbol der unbesiegbaren Hoffnung. Heilige Nacht. Weihnacht. Gott geweihte Nacht, in der das geschieht.
Nun möchte ich Ihnen diese Rose mitgeben in das gerade begonnene Jahr. Das, was in der Heiligen Nacht begonnen hat, will sich entfalten und weiter wachsen, grün werden und aufsprießen. Auch wenn die echte oder falsche Rose von Jericho wieder vertrocknet, kann sich doch das Wunder wieder ereignen. Das ist das Großartige an dieser Pflanze. Auch wenn sie sich wieder zusammenrollt und vertrocknet und wie tot ist, so kann sie sich doch wieder entfalten und grün werden.
Diese Woche könnten Sie einmal darüber nachdenken, meditieren und beten, was für Sie dieses Lebenselixier ist, das Sie wie die Rose von Jericho aufblühen und grün werden lässt. Was ist für mich dieses Lebenswasser?
Und wann bin ich zuletzt so lebendig geworden? Bei welcher Gelegenheit habe ich so ein Aufblühen in mir gespürt?

Foto: A. Hubl
Es kann ganz verschieden sein. Vielleicht als Sie wieder dieses traumhaft schöne Stück von Mozart gehört habe? Oder wie bei mir beim richtigem Gute-Laune-Swing? Oder beim Treffen mit dem alten Freund? Oder bei dem ausführlichen Telefonat mit der Freundin? Oder nach dem langen und ausführlichen Spaziergang durch den Winterwald, dessen Stille und Frieden in mich eingezogen sind? Oder sogar bei den Weihnachtsplätzchen, wie sie nur die Mutter backen kann und niemand sonst? Und bei all den Erinnerungen, mit denen sie verknüpft sind. Oder als nach großen Sorgen und Ängsten doch noch alles gut gegangen ist?
Und dieses Lebenselixier, das Sie so aufblühen und lebendig und glücklich werden lässt, dass sollen Sie aufsuchen. Das ist die Aufgabe für das Neue Jahr. Manches lässt sich freilich nicht aufsuchen und bewusst arrangieren wie eine freudige Überraschung oder ein uns plötzlich treffendes Glück wie der wiedergefundene PC-Stick oder Haustürschlüssel. Aber vieles schon. Der lange Spaziergang lässt sich einrichten. Das lange Telefonat auch. Das Treffen mit dem Freund ist planbar. Mozart steht im Schrank und auch die geliebten Swing-Classics. Und die Gebetsecke bleibt sowieso und wartet auf mich.
Seltsam ist nur, dass wir so oft vergessen, was nun dieses Lebenselixier ist. Statt dessen tun wir so oft Dinge, von denen wir genau wissen, sie tun uns nicht gut, sondern hinterlassen uns nur trauriger oder vertrockneter als zuvor, selbst oder gerade weil es was zu trinken war. Und darum müssen wir darüber nachdenken und meditieren, uns bewusst erinnern und bewusst dieses Lebenselixier suchen.
Mir erzählte jemand, der nach einem äußert heftigen Familienstreit über Wochen nicht mehr schlafen konnte, dass er nach ganz vielen anderen vergeblichen Versuchen sein lange, lange nicht mehr geübtes Klavierspiel wieder entdeckt hat. Jetzt spielt er wieder Klavier und kann wieder schlafen. Wiedergefundenes Lebenselixier.
Erinnern Sie sich an Ihr Lebenselixier und blühen, wachsen und entfalten Sie sich in diesem Jahr etwas weiter, möglichst ohne wieder zusammen zu schnurren und zu vertrocknen wie die echte oder unechte Rose von Jericho!
Viele Grüße
Thomas Gertler SJ
3. Januar 2018
Wer gibt uns das Wasser des Lebens, das uns aufblühen lässt wie junges Grün? Das ist der, der von sich selbst sagt, dass er die Quelle ist – Jesus. Er ist der Christus, das heißt der, der mit dem Geist gesalbt und begabt ist und der uns dieses Wasser gibt und damit auch den Heiligen Geist. In der Zeit des Messias oder des Christus erwartet man am Laubhüttenfest den Regen als Gabe Gottes (Sach 14,16-19). Darauf spielt die folgende Stelle aus dem Johannesevangelium an. Jesus gibt uns das Lebenselixier, das uns aufblühen lässt, wenn wir an ihn glauben.

Foto: A. Hubl
Joh 7,37 - 39
7,37 Am letzten Tag des Festes, dem großen Tag, stellte sich Jesus hin und rief: Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, 38 wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. 39 Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.