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Das ist ein Wort aus einer Erzählung von Ingeborg Bachmann und bezieht sich nicht nur auf die Linzer Torte von oben, sondern eben auf alles auf dieser Welt. „An allem ist etwas zu wenig.“ Oder wenn es wirklich einmal vollkommen ist, dann ist es eben nur ein Augenblick. Und der ist zu kurz. Der weckt nur die Sehnsucht nach mehr und wieder. „Zum Augenblicke möchte ich sagen, verweile doch, du bist so schön!“ (Goethe). Er verweilt leider nicht. Alle machen wir diese Erfahrung. Zu wenig und zu kurz. Die Rolling Stones haben das auf die Zeile gebracht: „I can‘t get no satisfaction“.
Es muss nicht so laut und heftig sein, wie bei den Rolling Stones. Meist ist es eher leise und grau. Es fehlt was. Es ist etwas zu wenig. Es geht schon irgendwie, aber da ist eben gerade der Knopf abgerissen oder es ist wieder ein Loch im Strumpf. Die Lieblingsplatte hat einen Kratzer weg. Kein Geld für eine Kugel Eis mehr oben drauf. Mein Lieblingskrimi-Autor hat leider nur ein schmales Gesamtwerk hinterlassen. Längst ist alles ausgelesen. „Der große Schlaf“ ist viel zu früh zu Ende. Ach, gäbe es doch fünf Romane mehr. An allem ist etwas zu wenig.
Und das sind ja nur erst mal alle möglichen äußeren Dinge. Wir wünschen uns von ihnen Vollkommenheit oder inneren Frieden, Zufriedenheit, Befriedigung. Und kurzzeitig stillen sie auch diese Wünsche. Aber eben nicht auf Dauer. Sie werden uns langweilig, bekannt und verlieren den Reiz. Und was diese äußeren Dinge mit uns machen, das geschieht ja auch in den Beziehungen. In der Freundschaft und in der Liebe sogar. Gerade Freundschaft und Liebe wecken in uns eine Sehnsucht über alles hinaus. Wir erwarten tatsächlich so etwas wie letzte Erfüllung, äußerstes Glück. Ja, und kurzzeitig spüren wir es, winkt es uns zu. Und dann wieder Fremdsein, Andersheit, Verlassenheit.
Ich kann daran verzweifeln. Ich kann mich genarrt fühlen vom Leben. Alles hinschmeißen. Wütend sein. Ja, das kann ich. Und vielleicht fühle ich das auch zuweilen und möchte es zuweilen. I can’t get no satisfaction… Das schreien die Rolling Stones heraus. Ich kann aber auch anderes auf diese unerfüllbare Sehnsucht schauen, nämlich vom Glauben an Gott her. Dann kann ich sehen: Ja, die schönen, begehrenswerten Dinge wecken in mir diese Sehnsucht und noch viel tiefer der geliebte Mensch. Aber sie können nicht geben, was ich in ihnen suche: diesen letzten und tiefsten und bleibenden Frieden, das letzte und tiefste und bleibende Glück. Sie wecken sie in mir. Und sie geben auch schon ein Stück. Die Hauptsache, das Letzte und Endgültige aber bleibt offen und leer. An allem ist etwas zu wenig. Das kann ich aber auch so ansehen, dass mich die Dinge und die Beziehungen über sich hinaus führen wollen, nämlich zu dem, bei dem es diesen letzten Frieden und dieses äußerste Glück bleibend gibt: zu Gott.
Paul Claudel, der französische Dichter (1868-1955), lässt es Donna Proeza dem geliebten Don Rodrigo sagen: „Ich bin das Versprechen, das nicht gehalten werden kann, und eben darin besteht meine Gnade - Je suis la promesse qui ne peut être tenue et ma grâce consiste en cela même.“ Wenn ich von den Dingen oder einer anderen Person die letzte Erfüllung und das immer dauernde Glück erwarte, dann werde ich enttäuscht. Und daran scheitert heute oft die Liebe. Wenn der andere mir aber zum Wegweiser wird, der mich weiter, nämlich zu Gott führt, dann ist das Gnade. Und so kann und soll ich die Welt, die Dinge und auch die Personen nehmen als solche Wegweiser, ja Wegbegleiter, die in mir den Weg zeigen und mit mir diese Sehnsucht teilen nach dem Letzten, das nur Gott sein kann. Dann überfordere ich auch meinen geliebten Gefährten nicht und es kann Friede und Glück zwischen uns sein.
In der Fastenzeit wollen wir diesen Mangel, dieses an allem zu wenig, bewusst spüren und so die Sehnsucht tiefer werden lassen, um Gott leichter zu finden und freier zu werden.
Es grüßt Sie herzlich und wünscht so sehr, dass endlich Friede wird
Thomas Gertler SJ
16. März 2022
Der Himmelsgucker schaut über die bekannte Welt hinaus in die Sphäre des Göttlichen. Diese Welt genügt ihm nicht. Der Psalm 42 formuliert das als Durst und weinende Sehnsucht nach Gottes Antlitz, nach seiner tröstenden und heilenden Nähe mitten in der Not. Man spottet über den Beter: Wo ist nun dein Gott? Aber er hat Zuversicht: „Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.“
Psalm 42, 1-12
42,1 Eine Unterweisung der Korachiter, vorzusingen. 2 Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. 3 Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? 4 Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott? 5 Daran will ich denken und ausschütten mein Herz bei mir selbst: wie ich einherzog in großer Schar, mit ihnen zu wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken in der Schar derer, die da feiern. 6 Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er mir hilft mit seinem Angesicht. 7 Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir, / darum gedenke ich an dich im Lande am Jordan und Hermon, vom Berge Misar. 8 Deine Fluten rauschen daher, / und eine Tiefe ruft die andere; alle deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich. 9 Am Tage sendet der HERR seine Güte, und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem Gott meines Lebens. 10 Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mich vergessen? Warum muss ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich drängt? 11 Es ist wie Mord in meinen Gebeinen, / wenn mich meine Feinde schmähen und täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott? 12 Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.