Alles so sinnlos!

Foto: Partonez - CC BY-SA 4.0

So höre ich manchmal. Alles so sinnlos! Das ist schon dicht bei der Verzweiflung. Und es ist völlig übertrieben. Denn es ist nicht A L L E S sinnlos. Aber so empfindet mein Gegenüber jetzt. Es ist alles sinnlos. So empfinden vielleicht auch gerade Sie im Augenblick, liebe Leserin, lieber Leser. Alles ist sinnlos! Und da ist das erste, worum ich Sie bitte: Erzählen Sie mal! Was ist es denn?

Zerbrechen einer Beziehung? Verlust der Arbeit? Eine schwere Krankheit? Der Misserfolg beim Studium? Gefahr, das Semester oder die Prüfung nicht zu schaffen? Dieses ewige Kämpfen mit Covid. Es nimmt kein Ende. Alles wird einem dadurch kaputt gemacht. Was ist es bei Ihnen? Wann war sie bei Ihnen da, diese Sinnlosigkeitserfahrung?

Sinnlosigkeitserfahrung besteht darin, dass verschwindet oder zerbricht, was mein bisheriges Leben gehalten und getragen hat. Wenn die bisherigen Zusammenhänge eben nicht mehr zusammen halten. Das Netz ist zerrissen und hält nicht mehr wie oben im Bild. Ich falle heraus. Genau das macht nämlich das Sinnvolle im Leben aus, dass wir diesen Zusammenhang mit anderen spüren. In der Familie. Bei der Arbeit. In meinem eigenen Leib. Gesundheit ist, dass da in mir alles zusammen spielt, alles funktioniert. Sinn ist, dass ich in einer Ordnung, einem Zusammenhang, einem Ganzen zu Haus bin. Dass ich erkenne, wozu ich da bin. Wozu meine Arbeit beiträgt. Worin ich hilfreich bin.

Sinnlosigkeit ist die Erfahrung, dass der Zusammenhang und das Zusammenspiel mit den anderen und mit dem Ganzen verloren geht. Plötzlich bin ich ganz allein. Ich fühle mich verlassen. Schrecklich! Ich will das nicht. Es ist schwer auszuhalten. Ich will am liebsten weglaufen, fliehen, mich betäuben.

Ja, das will ich. Vielleicht tue ich es auch. Aber  die Flucht macht es nur schlimmer. Nein, ich versuche als erstes, darauf zu schauen, es wahr zu nehmen, darüber zu trauern und mit recht wütend zu sein. Ja, diese heftigen Gefühle soll ich zulassen, denn sie sind die normale und richtige Reaktion auf eine solche Erfahrung. Zorn, Trauer, Tränen, Klage. Sie haben alle ihr Recht und hier sollen sie auch ihren Ort haben. Und hoffentlich auch ein Ohr. Gottes Ohr ist in jedem Falle da und hört mich!

Das Nächste ist, dass ich die Tendenz dieses Gefühls, alles zu überschwemmen und alles mit Dunkel und Lähmung zu überziehen, eingrenze. Ich sage nicht nur, sondern versuche zu erkennen, dass jetzt noch längst nicht alles sinnlos und alles vorbei ist. Das tue ich, indem ich mir sage: Was ist das Schlimmste, was jetzt passieren kann? Zum Beispiel ich falle durch die Prüfung oder ich verliere die Arbeit. Ich habe diese Krankheitsdiagnose. Ich versuche das ins Auge zu fassen und zu akzeptieren. Ja, ich bin durchgefallen. Ja, der Arbeitsplatz ist weg. Ja, ich habe diese Krankheit. Ja, so ist es. Schlimm, sehr schlimm. Damit ist aber noch nicht die Welt oder das Leben zu Ende. Nein, auch jetzt gibt es noch Möglichkeiten für mich, darauf zu reagieren und damit umzugehen. Ja, das ist möglich!

Und dann fasse ich Mut und bitte Gott um die Kraft, diesen nächsten Schritt zu tun. Denn das ist das, was am meisten hilft: sich nicht der Ohnmacht und dem berechtigten Jammern und Klagen hinzugeben und darauf sitzen zu bleiben, sondern sich aufzurichten und sich zu wehren und den nächsten, möglichen Schritt hinaus zu tun. Raus aus der Isolation, aus dem verschlossenen Innenraum. Die zerrissenen Fäden der Beziehungen aufnehmen, das Netz des Sinnes neu knüpfen. Mit dem, was ich dann tue, wachsen auch die Hoffnung, das Licht und die Kraft wieder. Dessen dürfen Sie sicher sein. Das kann auch eine Weile dauern und kann auch mehrere Anläufe kosten. Wichtig ist, dass ich aus der Ohnmacht herausgehe und mich nicht mehr nur als Opfer sehe, sondern wieder selbst Schritte tue, mein Leben in die Hand nehme und führe. Und dafür nehmen Sie bitte alle Hilfe in Anspruch, die Sie kriegen können.

Und am wichtigsten: Gottes Liebe zu Ihnen und sein Ja sind da und bleiben da, und damit bleiben auch der letzte Sinn und Zusammenhang von allem da, auch wenn ich sie vielleicht jetzt nicht wahrnehmen kann. Folgen Sie dem Rat Jesu, der unten aufgeschrieben ist!

Sie finden den Sinn wieder! Er lässt sich wieder finden!

Es grüßt Sie herzlich
Thomas Gertler SJ

19. Januar 2022

Was ist der Rat Jesu? Bitten! Suchen! Anklopfen! Und zwar heftig, lange, lästig. Richtig hämmern, richtig oft bitten und betteln, richtig intensiv suchen. Also diese Bibelstelle auch mal laut lesen, und zwar mit der Betonung auf dem Bitten, dem Suchen und Anklopfen. Probieren Sie es. Sie werden gehört und Sie werden finden und es wird sich Ihnen der Sinn wieder öffnen.

 

Foto: Fotoarchiv Höpfner - CC BY-SA 3.0

Matthäus 7,7 - 11

7,7 Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet! 8 Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet. 9 Oder ist einer unter euch, der seinem Sohn einen Stein gibt, wenn er um Brot bittet, 10 oder eine Schlange, wenn er um einen Fisch bittet? 11 Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn bitten.