
Kloster Hardehausen Foto: Carolina von Molo
Es ist kurz vor zwanzig Uhr, die Läden in der Fußgängerzone schließen gleich, der Weihnachtsmarkt wird sich umso mehr mit Besuchern füllen. „Mutti im Kaufrausch“ steht auf der pinkfarbenen Tasche, die einer Frau an der Bushaltestelle schwer über der Schulter hängt.
Zur gleichen Zeit bei Kerzenschein in der nahegelegenen Stadtkirche: Ein junger Mann hängt an einem ‚Gebetsbaum‘ einen kleinen grünen Zettel auf. Darauf hat er geschrieben: „Ich bitte um einige Minuten des Durchatmens in der Adventszeit.“
Rund 350 Jahre zuvor: Die Zisterziensermönche von Hardehausen im Kreis Höxter meißeln im Kreuzgang ihres Klosters folgende Worte in ein Kapitell: ICH HAB FLEISCH UND BRODT UND LEIDE DOCH HUNGRS NOD.
Eine volle Einkaufstasche, ein diffuser Wunsch nach Tiefe und das in Stein gehauene Bekenntnis eines existentiellen Mangels: Alles Materielle ist zum Leben da, aber … Zu allen Zeiten kannten und kennen Menschen diesen Hunger, den kein voller Fleischtopf und keine noch so langen Ladenöffnungszeiten stillen können. Es ist ein lebenslanges, zuweilen schmerzhaftes Sehnen nach Sinn und Liebe, nach Geborgenheit und Erfüllung, für Christen letztlich immer auch ein Fragen nach der Gegenwart und Führung Gottes. Ein modernes Lied drückt das wunderbar aus.
„Da wohnt ein Sehnen tief in uns …“ Bekommen wir Antwort? Gibt es Sättigung? - Ruth Pfau (1929 – 2017), die 60 Jahre lang als Lepraärztin in Pakistan gelebt hat, beschreibt die Suche nach dem „Eigentlichen“ als „das Thema meines Lebens seit meiner Jugend, besonders als ich in die Spur einer normalen Karriere geriet. Nach diesem Wesentlichen gesucht habe ich zeitlebens. Rastlos, angetrieben von dieser einen Frage () Ich wusste, ich konnte Geld machen (), aber mein Herz wollte nicht zur Ruhe kommen, mein Herz wollte etwas anderes als Geld, aber ich konnte es nicht finden.“ Am Ende eines langen Lebens, das sie Gott ganz zur Verfügung gestellt hatte, fragt die deutsche Ordensfrau: „Warum hat der Herrgott diesen Hunger in mein Herz gelegt, wenn es das, wonach in mich sehnte, gar nicht gibt?! Wohin führt die letzte, die große Sehnsucht, die hier in diesem Leben immer unerfüllt bleibt? Und was ist das Eigentliche? Ich weiß es auch nicht. Ich kann es nur ahnen. Und auf Erfüllung hoffen – auf der anderen Seite?“ - Und doch wagt die „Mutter der Leprakranken“ eine irdische Antwort: „Die Liebe ist in diesem konkreten geschichtlichen Jetzt wohl der reinste Ausdruck dessen, was wir als das Eigentliche ersehnen.“
Ein vielzitierter Satz der jüdischen Lyrikerin Nelly Sachs lautet: „Alles beginnt mit der Sehnsucht.“ Jemand hat diesen Satz weiter meditiert und dabei das Sehnen nicht vom Mangel her, sondern optimistisch als „Raum für mehr“ bezeichnet: „… immer ist im Herzen Raum für mehr, für Schöneres, für Größeres. Das ist des Menschen Größe und Not: Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft und Liebe. Und wo Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf …“
Adventszeit ist Sehnsuchtszeit. Zeit, sich des eigentlichen, tiefsten Hungers und auch täuschender Sättigung bewusst zu werden; Zeit, im eigenen Herzen Raum für mehr, Raum für Gott zu bewahren, einen Raum, den nichts Irdisches je füllen kann. Je füllen darf. Wenn wir uns auf das Fest der Geburt Christi vorbereiten und unser Herz „zum Tempel zubereiten“ (Gotteslob Nr. 218), dann dürfen wir die Worte des o.g., leider unbekannten Autors mitbeten: „Fing nicht auch Deine Menschwerdung, Gott, mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an? So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen, Dich zu suchen, und lass sie damit enden, Dich gefunden zu haben.“
Da wohnt ein Sehnen tief in uns …. – Was ersehnen Sie? Für sich, für andere, für die Welt? Was steht auf den „Kapitellen“ Ihres Lebens? Was würden Sie dort gern einmeißeln und der (Nach-)Welt überlassen?
Mit allen guten Wünschen für den weiteren Advent grüßt Sie herzlich
Marlies Fricke (GCL)
13. Dezember 2017
Täuschen kann man sich leicht in dem, was vermeintlich sättigt und den Durst stillt. Die Frau am Jakobsbrunnen wurde von Jesus ent-täuscht, nachdem sie meinte, Jesus würde ihr das tägliche Wasserschleppen ersparen. Dennoch ging sie nicht einfach leer aus; wie „lebendiges Wasser“ sprudelten schließlich (Vers 16ff) Wahrhaftigkeit, Vertrauen und der Wunsch, die Botschaft weiterzusagen, aus ihr heraus.

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Joh 4, 9 - 15
9 Die samaritische Frau sagte zu Jesus: Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern. 10 Jesus antwortete ihr: Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben. 11 Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser? 12 Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden? 13 Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; 14 wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt. 15 Da sagte die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.